‚Das neueste BIP wird veröffentlicht und schon wieder muss die zu euphorisch festgelegte Prognose revidiert werden. Die Wirtschaft ist wieder einmal nicht so stark gewachsen wie erhofft.‘ – Mit diesem Szenario sind viele westliche Staaten, allen voran viele europäische Länder und nicht zuletzt Österreich, schon über sehr viele Perioden hinweg konfrontiert. Zunächst hat man sich dieses Phänomen mit der erst kürzlich ausgebrochenen Wirtschaftskrise im Jahr 2007 erklärt. Doch jetzt, gute acht Jahre später, wird dieses Argument immer unglaubwürdiger. Sollten wir nicht schon längst aus der Krise raus sein und wieder alt gewohnte Wirtschaftszustände genießen? Nach so vielen verstrichenen Jahren und etlichen staatlichen Eingriffen wie Rettungs- und Konjunkturpaketen, möge man das glauben. Doch wie sich zeigt gibt es weder bei der Beschäftigung noch beim Wirtschaftswachstum selbst Besserung. In Österreich sehen wir einer Rekordarbeitslosigkeit ins Auge und das Wachstum kriecht seit Jahren dahin.1
Dennoch verharren Medien, die Politik und eine Reihe von Institutionen nach wie vor fest an dem Glauben, dass die Wirtschaft wieder voll in Fahrt kommt. Fasst wie Alkoholiker_innen welche nicht ohne ihre Flasche können oder Drogensüchtige ohne ihre Nadel.2 So spielt Wirtschaftswachstum nach wie vor in diversen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen die zentrale Rolle. Und bei der Bekanntgabe der neuesten, wieder einmal sehr schwachen Wachstumszahl, verkünden Medien diese hysterisch und voller Pessimismus der Bevölkerung.
Doch was ist wenn die Wirtschaft nie wieder in ihren Wachstumsmodus zurückkehren wird? – Wie sieht so eine Welt ohne Wirtschaftswachstum aus? – Und wie wird es uns, der Gesellschaft, darin ergehen?
Um diese Fragen akkurat beantworten zu können, ist es notwendig den Horizont etwas zu erweitern. So sollte man sich zunächst vor Augen halten, dass das Wirtschaftswachstum, wie wir es heute kennen, noch gar nicht so lange existiert und Generationen vor uns auch ganz gut ohne diesen Wachstumszwang auskamen. Weiters sollte man sich fragen, was man sich von einem Wirtschaftswachstum erhofft. Etwa höhere Löhne und mehr Vermögen? Fest steht, dass heutzutage Wirtschaftswachstum in den westlichen Ländern, nicht mehr gleichzeitig Wohlstandswachstum bedeutet. Fred Luks schreibt in seinem Buch „Die Zukunft des Wachstums“ sogar von einem ‚unwirtschaftlichen Wirtschaftswachstum‘ – ein Wachstum welches nicht mehr zu einer besseren Lebensqualität beiträgt und dabei gleichzeitig die Umwelt zerstört.3
Einer kritischen Durchleuchtung bedarf es auch bei der Wachstumsberechnung. Was beinhaltet das Bruttoinlandsprodukt und was sagt es eigentlich aus? Eignet es sich als jener Indikator, für den wir ihn halten und anwenden? Vermutlich nicht! Denn ist es eigentlich jedem Bewusst, dass ein schwerer Verkehrsunfall mit ein paar Todesopfern, durch Aufräumarbeiten, die Bestattung und sonstiges das BIP erhöht, eine Frau welche ihre Kinder betreut und ihre kranken Eltern pflegt jedoch nicht?
Und zu guter Letzt sollte man auch den ökologischen Aspekt nicht außer Acht lassen. Der stattfindende Klimawandel und die zur Neige gehenden fossilen Rohstoffvorkommen spielen in der Wachstumsfrage ebenfalls eine wichtige Rolle. Der Wachstumswahn, wie wir in zurzeit betreiben, hat enorme negative Auswirkungen auf den Klimawandel und reduziert den Bestand an nichterneuerbaren Rohstoffe unglaublich schnell.
Zuletzt liegt es schließlich an jedem Einzelnen selbst, dem Credo „Schneller, Weiter, Höher!“ abzuschwören, kurz innezuhalten und sich zu fragen- „Tut mir dieses Wirtschaftswachstum eigentlich noch gut?“.
Quellen:
1 vgl. Statistik Austria (2016). „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Hauptgrößen“. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/volkswirtschaftliche_gesamtrechnungen/bruttoinlandsprodukt_und_hauptaggregate/jahresdaten/019505.html (05.05.2016)
2 vgl. Miegel, M. (2012). „Exit. Wohlstand ohne Wachstum“. 2. Auflage, Berlin: Ullstein Buchverlag,
S. 11
3 vgl. Luks, F. (2013). „Die Zukunft des Wachstums“. 2. Auflage, Marburg: Metropolis Verlag,
Vorwort V
Nicole Sattler ist Teilnehmerin des 8. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie.
Kommentare
Eine Antwort zu „Schneller, Weiter, Höher! – Eine Kritik am Wachstumswahn unserer Zeit“
Stetiges Wirtschaftswachstum in Wegwerf- und Überflussgesellschaften:
Normal, krank oder vertrottelt?
>>> http://www.h-eureka.com/krank.htm
>>> http://www.h-eureka.com/buecher.htm