Es war eines der zentralen Versprechen des französischen Staatspräsidenten François Hollande, mit dem dieser seinen Präsidentschaftswahlkampf 2012 bestritten hat: Als eine von mehreren Maßnahmen im Bereich der Beschäftigung hatte er die Einführung eines contrat de génération („Generationenvertrag“) angekündigt, der die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich dauerhaft senken und die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer_innen bei gleichzeitigem „Wissenstransfer“ zwischen beiden Gruppen ermöglichen sollte. Die Dringlichkeit dieses Vorhabens zeigt ein Blick auf aktuelle Daten: In der Altersgruppe von 15-24 liegt die Arbeitslosenrate in Frankreich seit Juli 2008 stets höher als 20 Prozent, im zweiten Trimester 2013 betrug sie knapp 25 Prozent. Präsident Hollande hat sich zudem auf die Fahnen geschrieben, bis Ende 2013 eine nachhaltige Trendumkehr beim Anstieg der Arbeitslosenrate insgesamt einzuläuten.
Die versprochene Initiative des contrat de génération ist schließlich im März 2013 in Kraft getreten (Kosten: rund 180 Millionen Euro im Jahr 2013, ab 2016 geschätzte 900 Millionen Euro pro Jahr). Sie sieht einen Zuschuss von 4.000 Euro jährlich (über einen Zeitraum von maximal drei Jahren) für Unternehmen mit weniger als 300 Beschäftigten vor, die einen unbefristeten Arbeitsvertrag (einen sogenannten CDI – contrat à durée indéterminée) mit einem jungen Erwachsenen unter 26 Jahren abschließen. Voraussetzung für den Abschluss ist, dass zugleich ein_e Arbeitnehmer_in über 57 bis zur Pensionierung weiterbeschäftigt wird (alternativ wäre auch möglich, dass ein Jugendlicher und ein/e ältere/r Beschäftigte/r gleichzeitig angestellt werden). Dieser Fokus ergibt sich neben der hohen Jugendarbeitslosenrate einerseits daraus, dass nur 63 Prozent der Altersklasse zwischen 15 und 29 Jahren im Jahr 2010 über unbefristete Arbeitsverträge verfügte (zum Vergleich: 91 Prozent bei den Über-50-Jährigen) und diese Gruppe damit zahlreiche prekäre Arbeitsverhältnisse aufwies; andererseits liegen rund zwei Drittel aller französischen Arbeitsplätze in Unternehmen mit weniger als 300 Beschäftigten.
Der „Generationenvertrag“ sieht zudem weitreichende Schutzrechte für die Arbeitnehmer_innen bzw. Einschränkungen aus Unternehmenssicht vor: Die beiden Beschäftigten, die der Vertrag erfasst, müssen mindestens sechs Monate nach Unterzeichnung im Unternehmen verbleiben und der Zuschuss geht bei Kündigung einer/eines Beschäftigten über 55 verloren. Zudem gibt es besondere Kündigungsbeschränkungen beim Posten der Jugendlichen.
Die ursprünglichen Ziele des Projekts waren sehr ambitioniert: Bis Ende 2013 sollten 75.000 contrats de génération abgeschlossen werden, innerhalb der aktuellen fünfjährigen Amtsperiode (bis 2017) von François Hollande insgesamt 500.000 (also insgesamt eine Million Menschen erfassen).
Mittlerweile ist jedoch Ernüchterung eingetreten: Das Ziel von 75.000 wurde bereits vom französischen Arbeitsminister, Michel Sapin, auf 25.000 gesenkt und auf März 2014 verschoben. Zudem sind bis Mitte Oktober 2013 erst knapp 13.000 Anträge gestellt worden. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen erscheint es mehr als fraglich, ob das hochgesteckte Ziel von 500.000 Abschlüssen bis 2017 erreicht werden kann.
Das unabhängige Forschungsinstitut OFCE (L’Observatoire français des conjonctures économiques) rechnet in einer Studie aufgrund von Mitnahmeeffekten – d.h. dass Arbeitsplätze, die ohnehin auch ohne Subvention von den Unternehmen geschaffen worden wären und schwer von den tatsächlich auf die Subvention zurückzuführenden zu trennen sind – mit netto nur rund 21.000 neu geschaffenen Arbeitsplätzen in fünf Jahren. Laut der Untersuchung müsste die Maßnahme auf wenig qualifizierte junge Menschen abzielen – wie dies etwa der ebenfalls neu geschaffene und bisher durchaus erfolgreiche contrat d’avenir („Zukunftsvertrag“) vorsieht –, um derartige negative Effekte weitgehend verhindern zu können.
Besonders Unternehmen mit 50 bis 300 Beschäftigten haben bisher kaum von dem neuen Instrument Gebrauch gemacht – diese hätten nämlich bis Ende September neue Branchenvereinbarungen oder interne Übereinkünfte zur Jugendbeschäftigung erzielen müssen, um Anspruch auf die Zuschüsse zu haben, was jedoch bisher nur in wenigen Branchen bzw. Fällen gelungen ist, weshalb die genannte Frist mittlerweile bis auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Ein weiterer Grund für den schwachen Start liegt wohl darin begründet, dass das Ziel der generationsübergreifenden Wissensvermittlung – so vielversprechend die Idee in der Theorie auch klingen mag – in vielen Wirtschaftssektoren, wie etwa der IT-Branche, nur schwer zu erreichen ist. Zudem fühlen sich viele Unternehmer_innen aufgrund der genannten Schutzrechte zu sehr eingeschränkt.
Was bleibt ist eine ernüchterte Jugend, für deren gravierende Beschäftigungslage die Politik bisher kaum adäquate Lösungen gefunden hat. Das Beispiel des contrat de génération zeigt, dass ein Ansetzen bei direkten Subventionen für Unternehmen zur Senkung der Arbeitskosten zu spät ist. Vielmehr muss bereits früher umfassend in die Bildung junger Menschen investiert werden – wie zahlreiche Untersuchungen zeigen, ist eine gute Ausbildung nach wie vor der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit.
Thomas Böhler
studiert Internationale Betriebswirtschaft an der Universität Wien und ist Teilnehmer des 6. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie 2013/14.
Kommentare
2 Antworten zu „Frankreich: Die verpasste Generationen-Chance“
So, dann werde ich mal den ersten Kommentar dalassen 🙂
Finde den Beitrag super! Ich gebe zu nicht wirklich über den Generationenvertrag bescheid gewusst zu haben, dafür jetzt ein wenig mehr. die Idee hat sich aber immer sehr gut angehört, schade zu lesen dass die Umsetzung leider (hoffentlich noch) nicht so richtig funktioniert.
Ist aber in meinen Augen ein extrem wichtiger Ansatz, die älteren Generationen mit den jüngeren zu verknüpfen, nicht nur im Arbeitsumfeld.
Ich persönlich lerne immer extrem viel von so einem intergenerationellem Austausch, vor allem beim IT- Nachhilfe geben… 😀
Glaubst du, dass im Hinblick auf Jugendbeschäftigung die in Österreich diskutierten und zum Teil umgesetzten Projekte wie überbetriebliche Lehrwerkstätten, Ausbildungsgarantie und ein oftmals geforderter Lehrlingsfonds erfolgreichere Methoden zur Bewältigung von Jugendarbeitslosigkeit darstellen? (Mit Lehrlingsfonds wäre gemeint, dass Unternehmen einzahlen müssten, welche keine Lehrlinge ausbilden und Unternehmen mit vielen Lehrlingen in Ausbildung subventioniert würden.)
Ansich klingt die Idee des contrat de génération sehr unterstützenswürdig, wie du sie beschrieben hast.