Jugendarbeitslosigkeit – in persona – ein Mensch

Azucena ist vierundzwanzig ein halb Jahre alt und kommt aus Leon, einer kleinen Stadt im spanischen Kastilien. Nach dem Abschluss ihrer Schulausbildung zog sie nach Madrid um Englisch und Politikwissenschaften an der Universität Complutense zu studieren.

Seit circa einem halben Jahr lebt Azucena nun in Brüssel und arbeitet als Praktikantin in der Generaldirektion für Bildung und Kultur der Europäischen Kommission.

Früher wäre sie nicht auf die Idee gekommen Spanien zu verlassen. Der Plan war nach dem Studium in Madrid zu bleiben und sich einen guten Job zu suchen. Als sie während ihres Studiums auch noch ihren langjährigen Freund kennen lernte, welcher als EDV-Techniker bei einer großen Versicherung in Madrid beschäftigt war, hatte sich dieser Gedanke gefestigt.

Wie sich zeigte war es gar nicht so einfach diesen vorgefertigten Plan umzusetzen. Nach Beendigung des Studiums ergaben sich zuerst nur kurzfristige schlecht bezahlte Praktikumsplätze und in weiterer Folge gar keine Arbeitschancen mehr für Azucena.

Sich durch den langwierigen und konkurrenzstarken Auswahlprozess ins Bluebook der Kommission und weiter zu kämpfen war eher eine Verzweiflungsaktion, die für Azucena mit nicht sehr viel Hoffung verbunden war.

Aber dieser Prozess nahm Zeit in Anspruch. Zeit, von der sie in dem Moment sowieso zuviel hatte.

Als schlussendlich die Nachricht kam, dass sie ein halbes Jahr in Brüssel verbringen dürfe, konnte sie es nicht fassen. Obwohl es ihr schwer fiel ihre Menschen in Madrid zu verlassen, war sie dennoch gefesselt von der Möglichkeit neue Erfahrungen zu sammeln und endlich nicht mehr aus Langeweile zu Mittag den Fernseher aufzudrehen zu müssen.

Brüssel war anders als Azucena es sich vorgestellt hatte. Als sie erstmals, nach einem milden Winter in Spanien im Jänner in die belgische Hauptstadt kam, war der Eindruck kurzfristig einfach nur „triste“. Es war kalt, es regnete und es war windig. Das Zimmer, das sie in der Nähe des Jubelparks gemietet hatte, hatte schlechte Fenster. Ein Faktum, wie sie später feststellte, das auf so ziemlich jede Wohnung zutraf.

Die ersten Wochen an ihrem neuen – irgendwie wirklichsten – Arbeitsplatz waren schnell vergangen, nicht nur gab es viel zu tun für Praktikant_Innen, sondern war auch die Praktikantengemeinschaft in Brüssel sehr gut organisiert und waren regelmäßig Feste und Events geplant.

In stillerem Beisammensein mit Kollegen aus anderen europäischen Ländern wurde auch die Zeit nach dem Praktikum diskutiert, dabei waren auch ein österreichisches Mädchen und zwei Deutsche. Für alle drei war klar, dass sie nach Beendigung des Programms in ihre Heimat zurückkehren würden, da in der „europäischen“ Hauptstadt zwar tausende unbezahlte Langzeitpraktika zur Verfügung standen, jedoch nur geringe Aussichten auf eine bezahlte Stelle bestanden.

Die jungen Menschen, die bei der Kommission ein Trainee-Programm absolvieren, sind meistens top ausgebildet, sprechen 2-4 Sprachen gut und haben auch sonst bereits viele Erfahrungen gesammelt. Das erscheint zwar wie ein Wettbewerbsvorteil bei der Jobsuche gegenüber den anderen, aber in Brüssel ist das eher eine Grundvoraussetzung für alle Bewerber.

Längerfristig bleiben die Wenigsten hier, dies tun nur jene aus Spanien und Griechenland, wie Azucena. Die Hoffnung nach ein paar unbezahlten Praktikern doch noch etwas „Richtiges“ und Längerfristiges zu bekommen ist hier größer, als wenn sie, so qualifiziert sie auch ist, in ihre Heimat zurückkehrt. Zumindest für jetzt.

Anna Katharina Beyer
ist Teilnehmerin des 6. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie 2013/14.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Jugendarbeitslosigkeit – in persona – ein Mensch“

  1. Avatar von Lukas

    Die Geschichte einer individuellen Person macht die prekäre Situation und hohen Arbeitslosenzahlen in Ländern der Peripherie erst angreifbar. Dabei hat es wohl viele andere Arbeits- und Perspektivenlose im Vergleich zu „Azucena“ noch wesentlich schlimmer erwischt.