Arbeiten oder nicht in Portugal – eine subjektive Analyse

Pedro (Diplom IT-Ingenieur, 29) sitzt mit seiner Frau Ana (Master in Marketing, 26) und deren gemeinsamer Tochter, Sophie (3 Jahre), im Auto auf dem Weg nach Lissabon. Eigentlich kommen sie ja aus Leiria, einem kleinen Städtchen nördlich von Lissabon. In Lissabon treffen sie einen Headhunter. Dieser hat Pedro erklärt es gäbe Länder in Europa wo man für einen Java-Entwickler mit 5 Jahren Berufserfahrung mehr als EUR 900 netto im Monat verdienen kann. Seine Frau, erhofft sich auch ihre Karriere wiederbeleben zu können. Nach einem Master in Marketing wurde sie schwanger. Nach 4 Monaten Karenz hatte sie das Angebot in einem Schuhgeschäft in Leiria zu arbeiten angenommen. Seit dem ist sie dort. In Summe sind Pedro und Ana der Meinung dass es das Leben nicht gut gemeint hat mit ihnen. Ihre Tochter soll es mal besser haben. Am Abend werden sie wieder nach Hause fahren, mit einer weiteren Enttäuschung im Gepäck.

Pedro wird den Job in Deutschland nicht bekommen. Ihm wurde ein Spanier vorgezogen. Und die Moral von der Gschicht‘: Pedro hat es noch gut erwischt. Er hat nämlich eine Arbeit. Glaubt man den zahlen, hatten 16,30% im September dieses Jahres keine. Schockierend hierbei ist, dass die Arbeitslosenquote der unter 25-jährigen bei 36,90% lag. Trotz aller schon getätigten Maßnahmen.

Es stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten diese jungen, teilweise top ausgebildeten Menschen jetzt haben. Tja, da gibt es mehrere, welche wir nun der Reihe nach subjektiv analysieren möchten. Es besteht hier kein Anspruch auf Richtig- oder Vollständigkeit.

Der berühmte 6-Monatsvertrag

Portugal oder Europas Antwort auf die Krise und bald ihr größtes Problem. Nachdem man nicht genau wusste was man mit den tausenden, plötzlich arbeitslosen Jugendlichen, anstellen sollte wurde mit Hilfe der EU ein Fond gegründet. Dieser bezahlt Unternehmen 6 Monate lang ganz oder teilweise das Gehalt für junge Arbeiter, falls diese vorher auch offiziell in der Arbeitslosendatenbank eigetragen waren. Seit dem fordert so ziemlich jede Jobannounce des Landes nach einem Eintrag in der Arbeitslosendatenbank. Und ja, die Jugend wechselt natürlich den Job alle 6 Monate. Wo keine Arbeit ist, ist halt leider auch kein Arbeitsplatz auf die Dauer. Wie sich diese Blase bleibt wohl eines der spannendsten Themen hier.

In einem staatsnahen Betrieb arbeiten

Der wohl beste Arbeitsplatz, bei dem aber neben den richtigen Beziehungen eine große Portion Glück erforderlich ist. Die staatsnahen Betriebe sind zwar noch immer der größte Arbeitgeber des Landes, jedoch kommen inzwischen auf eine ausgeschriebene Position mehrere hundert Bewerbungen. Eigentlich hat ja inzwischen die Nähe zum Staat etwas abgenommen. Heute sind es oft schon eher angola- oder brasiliennahe Unternehmen. Wie Portugal nach Ausbruch der Krise Anteile an ebensolchen Unternehmen verkaufen musste haben sich diese am Abverkauf reichlich bedient. Obwohl der Verkauf an Investoren der ehemaligen Kolonien durchaus am nationalen Selbstbewusstsein rüttelt ist das damit eingenommene Geld dann doch herzlich willkommen.

Derzeit werden im Übrigen Nachforschungen angestellt, wo denn das Geld genau hergekommen ist (da mag ja wohl nichts Unethisches dahinterstecken). Man stellte ein paar Nachforschungen an, woraufhin Angola gleich einmal die strategische Partnerschaft mit Portugal gekündigt hat. Zusammenfassend sei gesagt, dass in diesem Bereich für lange Zeit die besten Jobs des Landes zu finden waren. Diese Möglichkeit existiert nur mehr in einem sehr eingeschränktem Maße.

Das Paradies „ Deutschland“

Abgesehen von den nicht ganz optimalen volkswirtschaftlichen Folgen dieses Trends, stecken hinter der Idee in Deutschland (oder auch Österreich) sein Glück zu suchen ein paar Probleme, welche schon genug Portugiesen auch wieder veranlasst haben in ihre Heimat zurückzukehren. Die Deutschsprachigen sprechen halt nicht so gerne Englisch wie die Portugiesen. Deutsch ist also ein Muss. Und eigentlich: Uniabsolventen gibt es auch dort in fast allen Bereichen genug. Viele glauben daher das Paradies gefunden zu haben und enden dann in Jobs die nicht ganz dem Level der Ausbildung entsprechen.

Selbstständigkeit

Gerade weil eben keine der vorher dargestellten Optionen optimal ist, zieht es immer mehr Portugiesen in die Selbstständigkeit. Natürlich endet dies, wie auch in Österreich, oftmals in prekären Verhältnissen, jedoch haben die meisten Selbstständigen zumindest das Gefühl ihr eigener Herr zu sein. Hier gibt es, wie überall positive und negative Geschichten zu erzählen.

Und weil wir sowieso nur erzählt haben, dass alles schlecht ist und es kaum eine Möglichkeit gibt in einer guten Beschäftigung zu enden, wollen wir hier nur ein positives Beispiel erwähnen. Den Hugo.
Hugo wollte nach seinem Master an einer der besten Unis des Landes keinen 6-Monatsjob annehmen. Weil er mit Stefan (das wäre dann ich) schon länger die Idee hatte, doch Busse zu vermieten, in denen Touristen ein paar der schönsten Strände Europas genießen können beschlossen beide dies doch einfach umzusetzen. Indiecampers (www.indiecampers.com) ist ein voller Erfolg und beschäftigt inzwischen 4 Mitarbeiter. Ende der Eigenwerbung ☺

In Summe sei aber zu erwähnen, dass es schön ist zu sehen, dass sich Portugiesen einmal nicht blöd vorkommen, weil sie keinen Job haben oder einfach nur extrem schlecht bezahlt werden. Indiecampers ist ein Beispiel wo es im Kleinen möglich war etwas zu verändern. Vielleicht ist es nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, vielleicht ist es aber auch ein Anfang.

Ob sich Portugals Probleme in Zukunft ändern werden oder nicht, steht in den Sternen. Wer für die Situation verantwortlich ist, interessiert die Betroffenen eigentlich gar nicht. Die große Frage für die Zukunft wird sich hoffentlich bald stellen, wenn man danach fragt wie man das Problem löst.

Stefan Köppl (Wipol Alumni, gründete mit indiecampers.com einen Wohnmobilverleih für Surfer_innen und Tourist_innen) und Monika Köppl-Turyna (Assistant Professor am Economics Department der ISCTE-Lisbon University Institute in Lissabon) leben beide in Lissabon und haben diesen Beitrag gemeinsam geschrieben.

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