Das Konzept ist klar. Wir, die KonsumentInnen, die EndabnehmerInnen, formen die Wirtschaft mit unseren Konsumentscheidungen. Durch sie entscheiden wir am Ende des Tages, was produziert wird, wie produziert wird und auch wo produziert wird. Das Argument, nur die großen Konzerne würden unsere heutige Wirtschaft lenken, ist längst entkräftet. Denn ohne zahlende Kunden ist selbst der größte Konzern machtlos. Wie wichtig Konsumentscheidungen auch den Unternehmen sind, zeigt sich schon am simplen Beispiel der Kundenkarte, die es dem Unternehmen ermöglicht Kundendaten in einem riesigen Ausmaß zu sammeln und auszuwerten. Wer mit offenen Augen durch die Wiener Supermärkte geht, wird feststellen, dass das Angebot auch und gerade in Supermarktketten – von denen der/die Unbedarfte wohl ein vereinheitlichtes Angebot angenommen hätte – in verschiedenen Bezirken stark variiert und auf die (vermeintlichen) Bedürfnisse der Anrainer angepasst ist. Ein grundsätzlich logisches, einleuchtendes und für viele vielleicht auch selbstverständliches Konzept – wer dauerhaft Produkte anbietet für die es am eigenen Standort keine AbnehmerInnen gibt, wird sich mit der Profitabilität eher schwer tun. In jedem Fall verdeutlicht es die Macht der Konsumentscheidung.
KonsumentIn ist eine Rolle, die jede/r auf die eine oder andere Art und Weise wahrnimmt, entsprechend ist jede/r ein Teil des großen Hebels „Konsummacht“. Auf diesem Gedanken basieren viele, gerade in linken Kreisen sehr populäre Argumentationen zum Thema Konsumentscheidung. Zum Beispiel Vegetarismus/Veganismus (je weniger AbnehmerInnen Fleisch und tierische Produkte finden, desto weniger wird auf lange Sicht produziert werden) oder die berühmt-berüchtigte Nestlè-Frage, die vor allem nach dem Interview des ehemaligen Nestlè-CEO Peter Brabeck-Letmathe in „We feed the World“ aufkam, in dem er sich stark pro Wasserprivatisierung aussprach und erläuterte, dass es unbedingt notwendig wäre, das Wasser einen Marktwert hätte, damit wir es schätzen können. (Hier die Argumentation: je weniger KonsumentInnen Nestlè-Produkte kaufen, desto weniger Macht hat der Konzern (?)). Aufbauend auf diesen Argumentationen hat sich, eben vor allem in progressiven, linken Kreisen, die Tendenz entwickelt, Konsum grundsätzlich zu reduzieren – oder komplett auszuschalten (soweit dies möglich ist), weil man den Wirtschaftsmechanismus, wie wir ihm heute ausgesetzt sind, nicht unterstützen möchte. Abstrahiert komme ich zu folgender Grundaussage: Ich verzichte auf etwas und treffe mit diesem Verzicht eine wesentliche Konsumentscheidung, die im besten Fall, wenn alle an einem Strang ziehen (kollektiver Hebel), auch etwas bewegen oder bewirken soll. Meines Erachtens geht diese Argumentation weit am Ziel vorbei bzw. schießt über dieses hinaus. Verzicht ist etwas Passives. Eine Nicht-Entscheidung sozusagen. Sie zeigt nicht wofür ich bin, sondern wogegen. Aus ihr kann in meinen Augen nichts Neues entstehen. Um „die Wirtschaft“ – ich möchte hiermit, für die Zwecke meiner Ausführungen vorrangig die Art und Weise bezeichnen, wie heute (in Industriestaaten, mit Auswirkung auf den Rest der Welt) produziert und konsumiert wird – zu beeinflussen oder zu verändern braucht es meiner Ansicht nach vor allem die zwei folgenden Mechanismen. (Ich gehe hierbei grundsätzlich davon aus, dass die Wirtschaft wie sie heute funktioniert, nicht nachhaltig, nicht gerecht, nicht sozial und ethisch vertretbar ist, dass sie rein auf dem darwinistischen Recht des Stärkeren basiert und daher grundsätzlich der Veränderung bedarf – hierzu könnte man freilich weiter ausholen, dies würde jedoch hier zu weit führen).
Einerseits braucht es international politischen Willen (und Mut!) Konzerne zu entmachten und sie einer starken Reglementierung zu unterwerfen. Sie einfach zu zerschlagen oder zu eliminieren, dafür ist es zu spät – zu viele Einzelschicksale hängen an ihrem Bestehen. Es braucht ein internationales Begreifen der gewählten Regierungen, dass Konzerne keine Macht haben müssen, dass ihnen ihre Macht nicht immanent ist, denn sie haben diese nur, weil sie ihnen überlassen wurde, weil es zugelassen wurde, dass sie sie an sich reißen.
Andererseits benötigt es ein massives Umdenken in der Konsumgesellschaft. Mit unserem Wunsch, oder besser unserer Gier, alles besser, schneller und dabei billiger haben zu wollen, haben wir einen großen Teil der Wirtschaftsgeschichte selbst geschrieben. Dies zu begreifen, ist sicherlich eine Grundvoraussetzung, denn hieraus entsteht die logische Schlussfolgerung, dass sich auch an unserem Verhalten etwas ändern muss, wenn wir Veränderung wollen. Hier schließt sich der Kreis. Veränderung erfolgt durch aktives Tun, also durch aktive Konsumentscheidungen. Soll heißen: eine aktive Entscheidung für und damit auch Unterstützung von Unternehmen, die in einer sozial und ethisch vertretbaren Art und Weise wirtschaften, an Stelle von komplettem Konsumverzicht, der, würden das „alle so machen“ – was ja die grundlegende Argumentation dahinter ist – Arbeitsplätze vernichtet, den Staat um Steuereinnahmen und damit jeden Einzelnen um den Genuss von Allgemeingütern bringt und schließlich die Wirtschaft komplett lahm legt.
Julia Niederleithner
war Teilnehmerin des 6. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie 2013/14.