Homo oeconomicus – Konstrukt oder Realität?

Konstruiert im 19. Jahrhundert, versucht das Modell des homo oeconomicus „mathematische Gesetzmäßigkeiten aus der mechanischen Physik auf die Wirtschaft zu übertragen“, um menschliches Verhalten prognostizieren zu können und damit die Wirtschaftswissenschaften als exakte Wissenschaft zu positionieren (Ruckriegel, 2009). Da es, per Definition, in der Natur eines Modelles liegt, durch restriktive Grundannahmen allgemein gültige Aussagen treffen zu können, war der homo oeconomicus (Effizienz, vollständige Marktinformation, Rationalität und Gewinnmaximierung) von Anfang an ein künstliches Konstrukt, das die Realität nur in limitierter Form widerspiegelt. Doch nicht nur die simple Prognose ist von Interesse. Es stellt sich auch die wichtige Frage nach den Auswirkungen der theoretischen Grundannahmen auf die Gesellschaft. Fördert unsere gesellschaftliche Entwicklung womöglich sogar den homo oeconomicus und lässt damit das Konstrukt Realität werden?

 

Effizienz, Rationalität und Gewinnmaximierung sind längst nicht nur mehr Begriffe der universitären Volkswirtschaftslehre, sondern stehen für konkrete Ideale, die in unsere Gesellschaft und unseren Alltag Einzug gehalten haben. So wird beispielsweise in Schulen gelehrt Problemstellungen effizient und unter Einsatz möglichst kurzer Zeit zu lösen. 50 Minuten Zeit, auf die Plätze, fertig, los. Kreative, nicht minder korrekte, jedoch dem Effizienzkriterium nicht entsprechende Lösungen, werden dabei oft hinten angestellt. Das subjektive Empfinden einer „Ellbogengesellschaft“, einer Gesellschaft, die auf dem Prinzip der eigenen Gewinnmaximierung aufbaut, einer Gesellschaft in der Eigenschaften wie Egoismus gefördert und mit Aufstieg belohnt, während Rücksichtnahme und Zurückhaltung als Schwächen angesehen werden, steigt merklich bei Vielen. Der homo oeconomicus hat es also durchaus bereits vom volkswirtschaftlichen Konstrukt in die Realität geschafft. Doch kann er als dominanter Verhaltenstypus gesehen werden? Bisweilen wird diese Frage von vielen Ökonomen bejaht und unter anderem mit dem Phänomen der Ellbogengesellschaft begründet. Jedoch mehren sich auch kritische, nobelpreisgekrönte Töne, mit der Forderung das Weltbild des homo oeconomicus zu überdenken und auf Anzeichen einer Gegenströmung hinweisen. So sind vermehrt auch soziale Handlungsmotive (Solidarität, Kooperation, Fairness) beobachtbar, die für eine Abkehr vom reinen homo oeconomicus sprechen. Beispielsweise haben monetäre Leistungsanreize oft keine Leistungssteigerung, sondern Leistungsrückgänge zur Folge, da in der Praxis oft intrinsische Leistungsmotivation bevorzugt wird. Des Weiteren gewinnt das menschliche Streben nach Glück, anstatt nach bloßer Gewinnmaximierung, immer mehr an Bedeutung. (Klages, 2014)

 

Bedeutet dies, dass das Modell des homo oeconomicus gänzlich unbrauchbar ist? Keineswegs! Jedoch besteht die dringende Notwenigkeit, das Modell um nicht-ökonomische Faktoren zu erweitern, damit das ursprüngliche Menschenbild zu modernisieren und auf eine realistische Ebene zu heben. Dabei verliert die eigene Gewinnmaximierung und zweckrationales Verhalten stetig an Bedeutung und wird durch das Streben nach nicht monetären Zielen, wie Glück und Selbstentfaltung, ersetzt.

 

Literaturverzeichnis

Klages, H. (2014). Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Abgerufen am 28. Februar 2014 von http://www.google.at/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved= 0CDEQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.dhv-speyer.de%2Fklages%2FPowerpointpraesentationen% 2FHomoOeconomicus.ppt &ei=7KsTU6WmIYOK5AT8loC4CA&usg= AFQjCNHIeLpkSJaNK3lSJAohreeL4l5w9w&sig2=KZBKqb0Cg_cI5Ir

Ruckriegel, K. (2009). ruckriegel.org. Abgerufen am 27. Februar 2014 von http://www.ruckriegel.org/papers/0rientierungen120_Ruckriegel_.pdf

 

Christopher Maier
war Teilnehmer des 6. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie 2013/14.


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