Warum man mit einem Glas Orangensaft auch 204 Liter Wasser trinkt?

Der Wasserfußabdruck als Mittel, den tatsächlichen Wassergebrauch aufzuzeigen

Wer hat sich eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie viel Wasser1 ein Mensch im Durchschnitt täglich gebraucht und welchen Unterschied es macht, wo auf der Erde dieser lebt? In Österreich benötigt eine Person in etwa 120 Liter Wasser pro Tag, in Indien hingegen nur 25 Liter. Dabei handelt es sich ausschließlich um den direkten Wassergebrauch, also beispielsweise für WC, Dusche, Waschen, Kochen und Trinken.

Viel spannender ist es aber, sich auch den virtuellen Wassergebrauch2 anzusehen. Damit lässt sich nachvollziehen, welche Wassermenge für die Herstellung eines Produkts anfällt. Beispielsweise braucht es für 1 kg Rindfleisch 14.415 Liter an Wasser! Dabei wird nicht nur das Trinkwasser für die Tiere berücksichtigt, sondern alle im Produktionsprozess gebrauchten Wassermengen, also z.B. auch das Wasser, das für die Bewässerung der Felder und Wiesen, welche das Futter für die Tiere liefern, notwendig ist, das Reinigungswasser des Schlachthofes usw. Hinter allen Produkten des täglichen Bedarfs steckt virtuelles Wasser, welches für deren Herstellung notwendig ist. Um sich den virtuellen Wassergebrauch plakativer vorstellen zu können, gibt es das Konzept des Wasserfußabdruckes (WF). Das ist ein Ansatz, um den genauen Wassergebrauch eines Produktes inklusive dessen Vorleistungen zu messen.

Wasserknappheit und Konsumverhalten

So wird z.B. offensichtlich, dass bei der Fleischproduktion der größte Teil des Wasserbedarfs – wie erwähnt insgesamt über 14.000 Liter pro kg Rindfleisch – im Anbau der Futtermittel liegt. Der virtuelle Wassergebrauch für 1 kg Obst liegt hingegen bei nur bei etwa 962 Liter, für 1 kg Gemüse bei 386 Liter. Davon ausgehend haben Vegetarier_innen einen 36 Prozent geringeren nahrungsbezogenen WF von 2.300 Liter pro Tag im Vergleich zu Fleischesser_innen mit 3.600 Liter pro Tag. Wer sich in der Früh gerne ein Glas (200 ml) Orangensaft genehmigt, trinkt damit 204 Liter virtuelles Wasser mit. Bier (200 ml) weist im Durchschnitt einen WF von 59 Liter auf3. Diese Zahlen sind erschreckend hoch und haben im Endeffekt direkten Einfluss auf die weltweiten Wasserprobleme. Haben wir Konsumenten es also selbst in der Hand, die richtigen Schritte für einen nachhaltigen Umgang mit unseren Wasserressourcen zu setzen?

Die größten Wasserverbraucher

Hauptsächlich Industrie und Landwirtschaft gebrauchen Wasser direkt und in großen Mengen. Sie betreiben nicht nur Raubbau von Süßwasser, sondern leiten Abwasser auch ungefiltert, weil häufig zu wenig kontrolliert, in den Wasserkreislauf zurück. Dadurch kommt es zur Austrocknung von Flüssen und Seen, zum Absinken des Grundwasserspiegels und zur Verschmutzung der Gewässer. Konkrete Negativ-Beispiele sind die komplette Austrocknung des Aralsees – hervorgerufen durch die Bewässerung von Baumwollfeldern in der unmittelbaren Umgebung. Der Anbau von Tomaten und Paprika im Süden Spaniens führt zu Wasserknappheit im Norden des Landes, Spargelkulturen in der Wüste Perus lassen den Grundwasserspiegel rundherum massiv absinken. Es mag auch billig erscheinen, in China produzieren zu lassen und die Wasserverschmutzung dort zu ignorieren. Doch rechnet sich all das tatsächlich?

Was ist Wasser wirklich wert?

Wasser bedeutet Energie und Überleben – es ist essentiell für unsere Gesundheit und Nahrungsversorgung. Süßwasser ist ein Allmendegut, und das stellt unsere Gesellschaft vor einige Herausforderungen. Zum einen ist es ein öffentlich zugängliches Gut, zum anderen herrscht unter den Konsument_innen Rivalität, denn nutzt jemand einen Anteil, bleibt weniger für die anderen übrig. Wie auch immer, die Kosten für Süßwasser liegen weit unter dessen eigentlichem Wert, und es gibt kaum Anreize, um mit Wasser nachhaltig zu wirtschaften. Im Gegenteil – Raubbau, Verschwendung und Verschmutzung werden kaum sanktioniert. So werden in Italien ganze Landstriche durch illegale Quellen bewässert, beispielsweise sollen aus dem „Acquedotto Pugliese“, dem größten Aquädukt Europas in Apulien, bis zu 50 Prozent der Wassermassen nicht rechtmäßig für Bewässerungszwecke abgezapft werden. Es gibt zwar – vor allem in Europa, den USA und Australien – gewisse Standards, die offiziell eingehalten werden müssen, doch fehlt – wie obiges Beispiel zeigt – die regelmäßige und konsequente Kontrolle. Dies führt zur Ausbeutung von Wasser im großen Stil. Regierungen sind hier gefordert, durch effektive Regulierungen und Steuern dem Raubbau von Süßwasser aktiver entgegenzuwirken. Viele Betriebe nützen diese Lücken im Regulierungsbereich und profitieren von rücksichtslosem Wassergebrauch. So bewässern viele Landwirt_innen ihre Felder mit Wasser aus allgemein zugänglichen Reservoirs. Die Umweltfolgen und die daraus resultierenden Kosten, wenn z.B. ein Fluss austrocknet, sind jedoch von der gesamten Bevölkerung über Generationen hinweg zu tragen.

Welche Verantwortung haben wir – die Konsumgesellschaft?

Auf den ersten Blick scheint es klar zu sein, dass auf Produzent_innenebene anzusetzen ist. Doch das ist nur die eine Seite, denn Produktion wird erst durch Konsum möglich. Wo also – auf der anderen Seite – mit einer Veränderung beginnen? Wir als mündige Konsument_innen sollten sicher gehen, dass das, was wir kaufen, nachhaltig produziert wurde. Es ist wichtig, kritisch zu hinterfragen, wie mit Süßwasser auf unserer Erde umgegangen wird und auch, wie wir nachhaltiger handeln können.

Noch ist es der altbekannte Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage, der den Verbrauch und somit den Bestand des Süßwassers regelt. Aber Wasserknappheit und -verschmutzung werden in diesem Kräfteverhältnis zunehmend eine wichtigere Rolle spielen. Auch wenn sie heute noch sekundäre Faktoren für ökonomische Entscheidungen sind, so wird schon bald der Kampf um Wasserressourcen die Welt neu ordnen. Adam Smith hat sich damals noch keine Gedanken über den Wasserfußabdruck von Produkten gemacht. Seine kritisch zu betrachtende unsichtbare Hand wird demnach auch kaum dafür sorgen, dass die Wasservorkommen auf der Erde bestmöglich auf die Menschheit verteilt werden.

Anmerkungen und Literatur

  • 1mit „Wasser“ ist hier immer Süßwasser gemeint
  • 2 Der Begriff „virtuelles Wasser“ wurde um 1993 vom britischen Geografen John Anthony Allan geprägt, der die Grundlage für das Konzept des Wasserfußabdruckes von Hoekstra lieferte. Für seine Leistung erhielt Allan 2008 den „Stockholmer Wasserpreis“ des Stockholm International Water Institute, darunter kann man sich eine Art „ökologischen Nobel Preis“ vorstellen.
  • 3 Mekonnen and Hoekstra (2012a), The Global Average Water Footprint of Crop and Animal Products.
  • Bei den Zahlen handelt es sich um internationale Durchschnitte.
  • Sonstige im Text verwendete Beispiele und Zahlen stammen aus dem Werk „The Water Footprint of Modern Consumer Society“ von Arjen Y. Hoekstra, 2013.

 

Klara Kinnl ist Teilnehmerin des 8. Jahrgangs  der Wirtschaftspolitischen Akademie.

 


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