Vom Skifahren und dem Klimawandel

Obwohl der Klimawandel in Zeiten von Greta Thunberg, Klimagipfeln und Fridays for Future zusehends an Gehör im öffentlichen Diskurs gefunden hat, wird davor zurückgeschreckt, sich konkret vorzustellen, wie der Klimawandel das geliebte Heimatland verändern wird. Verständlich, dass man zumindest in den Ferien den Kopf auslüften und frei von politischen und globalen Problematiken bekommen möchte. Wo, wenn nicht auf der Skipiste, gelingt dies der/m KlischeeösterreicherIn besser? Doch gerade in den Alpen sind die Veränderungen des Klimas besonders stark spürbar, da diese besonders sensibel auf Temperaturschwankungen reagieren (Haubner-Köll, 2002, p. 8).

Welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Alpen hat und wieso die Zukunft des österreichischen Nationalsports nicht gerade rosig aussieht, soll im folgenden Text erläutert werden.

Auswirkungen des Klimawandels in den österreichischen Alpen

Die Alpen reagieren besonders sensibel auf die Klimaerwärmung, da sich Schnee,- Wald,- Rasen,- und Permafrostgrenzen bereits bei minimalen Temperaturänderungen verschieben und somit das gesamte Ökosystem beeinflusst und destabilisiert wird (Haubner-Köll, 2002, p. 8). Folglich ist der Temperaturanstieg von rund 2 Grad Celsius im Alpenraum seit Ende des 19. Jahrhunderts besonders alarmierend und liegt im globalen Vergleich deutlich über dem Durchschnitt. (Stadler, 2005, p. 120).

Die Niederschlagsmenge nimmt insgesamt zu, die Schneemenge jedoch ab (Wanner, 2000, p. 156). Die Veränderungen erfolgen jedoch nicht an allen Orten im gleichen Ausmaß. In den Südalpen ist mit weniger, in den Nordalpen mit mehr Niederschlag zu rechnen. Als Folge davon sind mehr Naturkatastrophen und Wetterextreme zu erwarten. Waldbrände, Dürreperioden und Überschwemmungen werden häufiger auftreten. Zusätzlich wird eine zeitliche Verlagerung der Jahreszeiten prognostiziert. 

Ein weiteres Problem stellt der massive Gletscherschwund dar. Laut Experten haben 90% der alpinen Gletscher innerhalb der letzten Jahrzehnte mehr als die Hälfte ihres Volumens verloren ( Scheiber & Gspan, 2007, p. 22). Hauptverantwortlich dafür ist der Temperaturanstieg und der verringerte Schneefall während der Sommermonate ( Winkler, 2002, p. 44). Besonders die österreichischen Gletscher schmelzen überdurchschnittlich schnell, da diese niedriger gelegen sind als jene in den Westalpen.
Der Gletscherschwund ist insofern problematisch, als dass Gletscher einerseits als Regulatoren für den Wasserhaushalt der Alpen fungieren ( Kuhn, 2005, p. 40) , andererseits zusehends mehr Permafrostböden freigelegt werden. Per Definition weisen Permafrostböden das gesamte Jahr über eine Temperatur von unter 0 Grad Celsius auf und tauen auch im Sommer nur oberflächlich. Das Eis wirkt stabilisierend auf die Berge. Schmelzen die Permafrostböden, kommt es zu weit mehr Murenabgängen, Steinschlägen und Felsstürzen und gefährdet die Infrastruktur am Berg ( Matejowsky, 2008, p. 62).

Bewältigungsstrategien und Ausblick für den Skitourismus

Angesichts der Klimaveränderungen im alpinen Raum stellt sich unweigerlich die Frage, wie der Skitourismus in seiner heutigen Ausprägung aufrechterhalten werden kann, und ob das unter ökologischen Aspekten gerechtfertigt ist.

Berechnungen zufolge werden in den nächsten 10 Jahren aufgrund von Schneemangel lediglich 78% der Skigebiete in den Weihnachtsferien in Betrieb genommen werden können, 2050 nur noch ein Drittel. ( Trawöger & Steiger, 2012, pp. 27-29).

Mit jedem Grad Temperaturanstieg rechnet man mit einem Anstieg der Schneegrenze um 150 Höhenmeter. Mithilfe der 100 Tage Regel wird die Rentabilität von Skigebieten gemessen. Wenn in sieben von zehn Jahren an mindestens 100 Tagen pro Jahr, mindestens 30 cm hoch der Schnee liegt, wird ein Gebiet als „schneesicher“ eingestuft und der Skibetrieb rentiert sich (Abegg, 2007).

Allerdings beschränkt sich die 100 Tage Regel ausschließlich natürlichen Schneefall.  Seit einigen Jahren reagiert man in den Skigebieten mit einer Reihe von technischen Anpassungsmaßnahmen auf die Klimaerwärmung. Der Einsatz von Kunstschnee ist längst zur Normalität geworden, denn dieser kann, je nach Zusätzen, bei Lufttemperaturen bis zu 6+ Grad produziert werden ( Golja, 2003, p. 93).  Zum Teil wird der künstlichen Beschneiung Vorzug gegenüber natürlichem Schneefall gegeben, da diese viel besser planbar ist und es somit möglich ist, die Skisaison um bis zu 3 Wochen zu verlängern. Die Produktion von Kunstschnee ist jedoch nur mit einem hohen Energie- und Wasserverbrauch zu bewältigen. Sie bedingt einen hohen Ausstoß von C0 2, was angesichts des anthropogenen Treibhauseffekts kontraproduktiv ist. Außerdem isoliert Kunstschnee Kälte schlechter als Naturschnee, daher kann Frost tiefer in den Boden eindringen, wodurch Pflanzen massiv geschädigt werden. Zusätzlich verschiebt sich die Blütezeit einiger Pflanzenarten ( Eggers, 1993, p. 31). Die Nährstoffe aus den Speicherseen werden durch die Schneekanonen auf der Piste verteilt und gelangen später ins Grundwasser, was zu Verminderung der Wasserqualität führen kann.

Eine weitere, verbreitete Alternative ist die Planierung von Skipisten. Der Vorteil besteht darin, dass ebene Flächen eine geringere Schneeauflage benötigen. Der Eingriff in die Bodenbeschaffenheit ist jedoch aus ökologischer Sicht problematisch. Die Stabilität des Hanges und der Wasserabfluss am Berg werden beeinträchtigt. Außerdem wird nährstoffreicher Humus bei Niederschlägen abgetragen ( Mosimann, 1986, p. 305).

Eine weitere Anpassungsstrategie besteht darin, höher gelegene Orte für den Skitourismus zu erschließen. Die Aneignung ökologisch sensibler Räume ist mit weiteren Eingriffen in das Ökosystem verknüpft, die selten nachhaltig sind. Sie erfordern hohe technische und finanzielle Investitionen, um den rauen Wetterbedingungen standzuhalten (Abegg, 1996, pp. 163-164).

Kurz- und mittelfristig gelingt es mit Hilfe der oben erläuterten Maßnahmen den Skitourismus in seiner heutigen Form aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig führt die dadurch gewonnene (Schnee-) Sicherheit zu einer sehr schwach ausgeprägten Risikowahrnehmung in der Tourismusbranche (Trawöger & Steiger, 2012, pp. 27-29). Erkenntnisse aus der Wissenschaft sind weitgehend unbekannt oder werden als Schwarzmalerei abgetan. Selten sind mögliche Klimafolgen in den einzelnen Gebieten den BewohnerInnen und TouristInnen bekannt und es mangelt an alternativen Ideen.

Aus wissenschaftlicher Sicht können künstliche Beschneiung, das Anlegen von Speicherseen und Pistenplanierungen keinesfalls als nachhaltige Strategien betrachtet werden, um dem Klimawandel zu begegnen. Unabhängig von der ökologischen Perspektive ist anzuzweifeln, ob die technischen Maßnahmen langfristig dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit standhalten können (ebda.). Wenn keine massenwirksamen Alternativen zum Produkt Skifahren entwickelt werden, werden Skiorte zu den frühen Verlierern des Klimawandels gehören (ebda.).
Aufgrund der starken Fokussierung auf den Wintertourismus, ist dieser häufig die einzige beziehungsweise wichtigste Wirtschaftsform in den Alpen. Die negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Tourismusbranche beschränken sich jedoch nicht ausschließlich auf die lokale Ebene (Steiger, 2010). Da der Tourismus unter der Berücksichtigung der Wertschöpfung von Zulieferunternehmen rund 9% des BIPs ausmacht, ergibt sich eine volkswirtschaftliche Relevanz (Laimer & Smeral, 2006).  Jeder 5. Vollarbeitsplatz in Österreich wird durch die Tourismus und Freizeitwirtschaft abgedeckt. Mithilfe technischer Beschneiungs- und Anpassungsstrategien an den Klimawandel kann der Wintertourismus zwar aufrechterhalten werden, jedoch nur mit kontinuierlich steigenden Kapitaleinsatz. Folglich wird sich bis Ende des Jahrhunderts der Betrieb voraussichtlich Großteils in hochgelegenen und finanzstarken Skigebieten rentieren ( Steiger, 2010). 

Literaturverzeichnis

Abegg, B., 1996. Klimaänderung und Tourismus. Klimafolgenforschung am Beispiel des Wintertourismus in den Schweizer Alpen.. Zürich: Vdf Hochschulverlag.

Abegg, B. S. A. C. F. d. M. A., 2007. Climate change impacts and adaptation in winter tourism.. In: S. Agrawala, Hrsg. Climate Change in the European Alps. Adapting Winter Tourism and Natural Hazards Management.. Paris: OECD, pp. 25-26.

Dettling, S., 2005. Sporttourismus in den Alpen. Die Erschleißung des Alpenraums als sporttouristisches Phänomen.. Marburg: Tectum Verlag.

Eggers, R., 1993. Skisport und Ökologie. Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport.. Band 103 Hrsg. Schorndorf: Karl Hoffmann.

Golja, M., 2003. Die ökologischen Auswirkungen eines medialen Großereignisses am Beispiel der alpinen Skiweltmeisterschaft 2001 in St. Anton Am Arlberg.. Wien: Universität Wien.

Haubner-Köll, E., 2002. Klimawandel und Alpen. Ein Hintergrundbericht., Schaan: CIPRA Internationale Alpenschutzkommission.

Kuhn, M., 2005. Gletscher im Klimawandel. Bedrohte Alpengletscher, Innsbruck: Fachbeiträge des Österreichischen Alpenvereins. 27.

Laimer, P. & Smeral, E., 2006. Ein Tourismus-Satellitenkonto für Österreich., s.l.: s.n.

Matejowsky, B., 2008. Der Klimawandel – Auswirkungen und Zukunftsperspektiven für den Wintersport. Wien: Universität Wien.

Mosimann, T., 1986. Skitourismus und Umweltbelastung im Hochgebirge. In Geographische Rundschau. Jahrgang 38.. Jahrgang 38 Hrsg. s.l.:Geographische Rundschau.

Scheiber, E. & Gspan, B., 2007. Klimawandel & Wintertourismus., Wien: Club Niederösterreich.

Stadler, S., 2005. Klimawandel & Wintertourismus in den Alpen. Effekte und Bewältigungsstrategien der Wintersportorte. , Wien: Universität Wien.

Steiger, R., 2010. Klimawandel und Wintertourismus, s.l.: GW – Unterricht.

Trawöger, L. & Steiger, R., 2012. Schnee von gestern?. Ökologisches Wirtschaften, 3, pp. 27-29.

Wanner, H., 2000. Der Klimawandel in den Alpen und in der Schweiz aus historischer und aktueller Sicht.. In: Klimawandel im Schweizer Alpenraum.. Zürich: vdf.

Winkler, S., 2002. Von der kleinen Eiszeit zum globalen Gletscherrückzug- Eigenen sich Gletscher als Klimazeugen?. Mainz: Colloquia Academica .

Laura Mann ist Teilnehmerin des 12. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie.


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