Die immer größer werdende Abgabe staatlicher Aufgaben an Private hat längst auch das Militär erreicht – sehr zulasten des Völkerrechts und der Kriegsethik.
Sogenannte „Private Military and Security Companies “ (PMSC) erleben seit dem Ende der 1980er Jahre einen steilen Aufstieg. Sie üben verschiedenste Sicherheitsaufgaben aus, oft bis hin zu militärischen, die normalerweise nur Staaten wahrnehmen. Diese Unternehmen sind registrierte Firmen wie Academi (besser bekannt unter dem Namen Blackwater), KBR, Sandline International oder Global Strategies Group mit festem Firmensitz und geschlossenen Organisationsstrukturen. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind normale Angestellte und könnten, wenn sie an Kampfhandlungen beteiligt sind, laut Genfer Konvention durchaus als Söldner bezeichnet werden. Während in der Antike bis hin zur Entstehung von Nationalstaaten Söldnerarmeen sehr groß und verbreitet waren, kam es danach zu einer Zurückdrängung Privater und einem Ausbau des staatlichen Gewaltmonopols. Zurzeit finden wieder gegenläufige Entwicklungen statt. Moderne Sicherheits- und Militärunternehmen schließen vor allem in Ländern wie den USA oder Großbritannien Verträge mit Ministerien ab und sind in deren Auftrag im Einsatz. Meist in Kriegsregionen und sogar in den ersten Reihen. Nicht selten kommt es dort zu blutigen Auseinandersetzungen, in denen Sicherheitsleute ohne Hoheitsabzeichen den Tod von Zivilisten und Zivilistinnen zu verantworten haben. Die Öffentlichkeit erfährt nur selten von derartigen Unternehmungen. Auch multinationale Konzerne nützen deren Dienstleistungen auf der ganzen Welt, vor allem zur Bewachung von Ressourcen. PMSC‘S verfügen über große Produktpaletten, die von klassischen Sicherheitsaufgaben wie Personen- oder Objektschutz bis hin zu spezialisierten militärischen Diensten, wie strategischer Planung, Geheimdienstoperationen oder Kriegsgefangenenbewachung reichen. Dabei handeln sie meist in einer rechtlichen Grauzone. Etwa 2200 private Sicherheits- und Militärunternehmen gibt es weltweit und gemeinsam erwirtschaften sie circa 220 Milliarden Euro im Jahr. In den Fokus der Öffentlichkeit gelangten solche Firmen wie Blackwater als vier ihrer Mitarbeiter – während eines Einsatzes im Irak 2007 – 17 unschuldige Zivilisten töteten. Sie hatten die Aufgabe einen Konvoi zu beschützen, eröffneten auf dem Nissur- Platz in Bagdad grundlos das Feuer und richteten dabei ein Blutbad an. Dies ist einer der wenigen Fälle, in denen es tatsächlich zu Verurteilungen kam. Das wirft die Frage auf, warum Staaten überhaupt militärische Aufgaben an Private auslagern und ob Staaten für das Verhalten ihrer beauftragten Sicherheitsunternehmen überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden können.
Möglich waren derartige Entwicklungen nur durch eine sukzessive Zurückdrängung des Staates. Mit der britischen Regierung unter Margaret Thatcher und unter der US-Präsidentschaft Ronald Reagans Ende der 1970er Jahre zog ein neuer wirtschafts- und sicherheitspolitischer Wind auf. Privatisierungen wurden vorangetrieben, Gewerkschaften geschwächt und Deregulierungen vorgenommen. Diese Entwicklungen machten auch vor dem Militär nicht Halt. Man begann vermehrt auf private Militärfirmen in bewaffneten internationalen Konflikten zu setzen. Sparkurse auf der einen und höher werdende militärische Ausgaben auf der anderen Seite ließen Staaten auf Alternativen zurückgreifen. Aber auch in vielen Ländern, in denen Abrüstung stattfand, begann man aus Kosteneffizienzgründen mit privaten Militärfirmen zu kooperieren. Teile der staatlichen Gewaltausübung wurden bewusst einer Marktlogik unterworfen. Nach dem Ende des Kalten Krieges hinterließen die beiden Supermächte USA und UdSSR ein sicherheitspolitisches Vakuum. Viele Länder, die während des Kalten Krieges noch militärische Subventionen einer Supermacht erhielten, um den Machteinfluss der USA gegen die UdSSR oder vice versa zu erhöhen, waren nach Kriegsende für die beiden Konfliktparteien belanglos geworden. Es kam zu einem Entzug von Militärhilfen und was übrig blieb waren oft Bürgerkriege und geschwächte Staaten. Diese Länder waren von nun an oft nicht mehr in der Lage ein funktionierendes Heer aufzustellen und bedienten sich privater Militärfirmen. Selbiges geschah auch in Afrika mit dem schwindenden Einfluss ehemaliger Kolonialmächte. Sie hinterließen oft instabile politische Systeme, in denen die ständige Gefahr von Putsch und Bürgerkriegen lauerte. Seither beherrschen wenige große private Militärfirmen den weltweiten Markt. Auch in europäischen Staaten wie Frankreich oder Deutschland sind solche Firmen angesiedelt. Westliche Staaten kamen zunehmend auf den Geschmack heikle militärische Missionen an Private auszulagern, um dem öffentlichen Legitimationsdruck zu entgehen. So war zum Beispiel die Clinton Administration 1993 unter schweren öffentliche und mediale Kritik geraten, als 17 US-Soldaten beim Versuch gegen den somalischen Clanchef Mohammed Aidid vorzugehen regelrecht öffentlich hingerichtet wurden. Nach solchen Ereignissen herrscht großes öffentliches Aufsehen und es stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit derartiger Operationen unter dem Einsatz des Lebens von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern. Trotz des 11. Septembers und des US- Amerikanischen „War against Terorrism“ stößt man auf immer größere Ablehnung aus der Bevölkerung in puncto militärischer Kriegsführung. Dies liegt zu einem großen Teil daran, dass moderne Kriege, die von den USA und ihren Verbündeten ausgehen, zu einem Teil der Absicherung militärischer Vormachtstellung dienen und zum anderen mit wirtschaftlichen Interessen einhergehen. Dies ist schwer in der Öffentlichkeit zu kommunizieren und zu legitimieren. Private Sicherheitsleute scheinen auf keiner offiziellen Todesstatistik der Armee auf und der Staat muss sich nicht rechtfertigen. Nur vereinzelt werden Todesnachrichten von privaten Sicherheitsleuten aus Kriegsgebieten wahrgenommen, diese stoßen aber bei Weitem nicht auf derartiges Entsetzen wie beim Tod von normalen Soldatinnen und Soldaten. Fakt ist, dass der Einsatz privater Sicherheitsunternehmen in Kriegsgebieten häufig in Konflikt mit völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht gerät und demokratiepolitisch äußerst problematisch ist.
Doch haftet nun ein Staat überhaupt nach internationalem Kriegsrecht, wenn er sich einer privaten Militärfirma bedient und diese dann Gesetze bricht? Im „International Law Commision on State Responsibility“ (ILC) – Entwurf von 2001 versuchte man völkerrechtliches Gewohnheitsrecht zu kodifizieren, um die Frage der Staatenverantwortung zu klären. Prinzipiell haftet ein Staat für jedes Tun oder Unterlassen einer völkerrechtlichen Pflicht. Art. 4,5,7 und 8 des ILC-Entwurfs regeln die Zurechenbarkeit. Laut diesen Artikeln gilt eine Verletzung einer den Staat bindenden völkerrechtlichen Pflicht als Handlung dieses Staates, wenn sie von einem seiner Staatsorgane begangen wurde oder ihm das Verhalten Dritter zugerechnet werden kann. Und hier liegt das Problem begraben, denn damit einem Staat Kriegsverbrechen zugerechnet werden können, muss eine private Militärfirma erst mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet werden und quasi ein Staatsorgan sein. Dies wird in der Regel nie vorkommen. Genauso wenig wird ein Staat, wenn er einen privatrechtlichen Vertrag mit einer PMSC abschließt, Dinge Vertragsinhalt werden lassen, die einen Völkerrechtsbruch oder dergleichen bedeuten könnten. Durch die Formulierung des Vertragswerkes können sich Staaten also weitgehend schadlos halten. Es sei denn, es kommt zum Beispiel seitens der PMSC zur systematischen Anwendung von Foltermethoden oder sonstigen völkerrechtlichen Brüchen. Hier würde der Staat einen Rechtsschein von hoheitlichen Befugnissen setzen. Passieren einzelne Fälle, können Staaten meist nicht gezwungen werden Schadenersatz zu leisten. Das Problem ist, dass die Zurechnungstatbestände zu eng gefasst sind und der Staat praktisch selbst bestimmen kann, wie weit er haftet. Auch das Montreux-Dokument von 2008, das von 17 Ländern unterzeichnet wurde, schafft keine komplette Abhilfe. Es beinhaltet lediglich Anweisungen und Empfehlungen wie Staaten mit privaten Militärfirmen umgehen sollen. Im zweiten Teil des Dokuments werden sogenannte “Best Practice“- Beispiele an Sicherheitsunternehmen vergeben. Auch Österreich hat das Dokument unterzeichnet. Es wird in der Zukunft aber wohl keine deckende Lösung zur Vermeidung und Bestrafung von menschenunwürdigen Kriegsverbrechen privater Unternehmen sein.
Allgemein lässt sich damit abschließend sagen, dass das Geschäft von privaten Militärfirmen, die mit Staaten kooperieren und in Kriegsgebieten zum Einsatz kommen, aus mehreren Sichtweisen sehr verwerflich ist. Zum einen widerspricht es grundlegend der Idee des staatlichen Gewaltenmonopols. Lagert man militärische Aufgaben an Unternehmen aus, opfert man ein Stück weit Demokratie. Auch aus einer moralischen Perspektive ist es schwer vertretbar, Menschen in den Krieg zu schicken, die eigentlich vom Krieg profitieren und an seiner Weiterführung Interesse haben. Das alles hat mit der Idee von Verteidigung nichts zu tun. Derzeit sind private Militärunternehmen jedoch gefragter denn je, da sie über ein hohes militärisches Know-how verfügen. Schließlich rekrutieren sie die meisten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Spezialeinheiten und Geheimdiensten. Immanuel Kant schrieb einst in seinem Werk “Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf“: „ Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören“. Für Kant bedrohen sie andere Staaten unaufhörlich mit Krieg. Wollen wir uns selbst und anderen noch eine weitere Bedrohung auferlegen?
Literatur:
“Staatenverantwortlichkeit für Verletzungen des Humanitären Völkerrechts durch private Militär- und Sicherheitsfirmen“ JURA – Juristische Ausbildung, 2011, Vol.33(8), S. 572-579 – Henn, Elisabeth
“Internationale Politik“ in: Sieder, Reinhard/ Langthaler, Ernst (Hrsg.) (2010): Globalgeschichte 1800-2000; S. 226-259 – Brand, Ulrich
“Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf“ Königsberg, bey Friedrich Nicolovius. 1796- Kant, Immanuel
https://www.eda.admin.ch/eda/en/fdfa/foreign-policy/international-law/international-humanitarian-law/private-military-security-companies/montreux-document.html [Montreux- Dokument]
Patrick Barabas war Teilnehmer des 7. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie.