Asyl- und Integrationspolitik der SPÖ – Sozial und demokratisch?

Für Casper Einem, Innenminister a.D., bedeutet Sozialdemokratie „denen zu helfen, die die beschissensten Karten haben“. Doch die Solidarität der SPÖ scheint genauso wie Straches Nächstenliebe ein Ende zu haben, jedenfalls wenn es um „die Fremden“ geht.

Integration durch Leistung – drei Wörter scheinen dieser Tage tatsächlich einem Integrationskonzept würdig zu sein. Sebastian Kurz, Staatssekretär für Integration, qualifiziert durch seine Herkunft, den 12. Bezirk, scheint sich für eine Reformierung der Staatsbürgerschaft stark zu machen. „Außerordentliche Leistungen im besonderen Interesse der Republik“ legitimieren die Einbürgerung von SpitzensportlerInnen, selbst wenn diese der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Das geht natürlich nicht. SpitzensportlerInnen sollen angeblich nur noch eingebürgert werden, sollten sie auch bessere Leistungen als „heimische Sportler“ erbringen. Niemand kann behaupten, dass der Integrationssekretär nur mit leeren Worthülsen um sich schießt. Das „sanguine Staatsbürgerschaftsrecht“ Österreichs wird reformiert, doch anstatt ein transparentes Geburtsrecht, wie in den meisten europäischen Staaten einzuführen, stellt das durch Kurz beworbene „Leistungsprinzip“ die Exklusion einer weiteren Generation sicher. Ja, Integration findet statt – Integration trotz Politik. Den BürgerInnen wurde dieses Exklusionsmodell bereits als progressiv verkauft aber natürlich bleibt abzuwarten ob es dieser konkrete Vorstoß aus der Verhandlungsgruppe „Zukunft“ über das Parlament ins Gesetzesbuch schafft. Nicht vieles spricht dagegen, denn die Vergangenheit bezeugt: die SPÖ ist zumindest im Bereich des Fremdenrechts eine verlässliche Partnerin und überlässt den Rechten dieses unpopuläre Feld.

Selbst unter Schwarzblau bzw. -orange nickte die oppositionelle SPÖ-Fraktion die Entmenschlichung des Fremdenrechts ab und trug auch als Gesetzgeberin, durch die Novellen 2009 und 2011, zu einer kontinuierlichen Verschärfung bei. Kontinuierlich ist auch der Umgang mit AbweichlerInnen aus den eigenen Reihen: Casper Einem, ehemals Innenminister, wurde die Unterstützung versagt, als er 1995 versuchte einen anderen Kurs in der Asylpolitik einzuschlagen. Während Einem bei der Abstimmung über das Asylpaket der Regierung Schüssel II fehlte, stimmte Walter Posch, als einziger SPÖ-Mandatar, dagegen. Ein Jahr später wurde der ehemalige Menschenrechtssprecher der SPÖ von seinen politischen Pflichten entbunden. Jüngstes Opfer dieses Konformismus ist die (ehemalige) Abgeordnete Sonja Ablinger. Entgegen der Parteilinie konnte sie nicht für die Fremdenrechtsnovelle 2011 stimmen. Ihre Reihung auf dem Wahlvorschlag 2013 war unvorteilhaft.

Mit der Warnung vor Schwarzblau wird zwar Wahlkampf betrieben, die Hinterlassenschaften dieser unsäglichen Koalition wurden aber niemals revidiert und parteiinterne Querulanten isoliert. Hinter dieser Politik scheint keine inhaltliche Überzeugung zu stecken, jedenfalls keine die mit dem Konzept der Sozialdemokratie verträglich wäre. Vielmehr scheint es darum zu gehen den WählerInnen „entgegenzukommen“. Diese Strategie hat sich nicht bewährt, sie wird sich nicht bewähren und sie ist eine Beleidigung der linken Wählerschaft. Mit dem Ausscheiden einer populären Roten, wie Ablinger, wird die Partei mehr Stimmen verlieren, als sie woanders gewinnen kann. Wahlstrategisch bewährt hat sich hingegen Prinzipientreue und Ehrlichkeit. Die Bezirksvorsteherin Mariahilfs, Renate Kaufmann, machte die Entscheidung, den Neubau des Jedmayers, einer niederschwelligen Einrichtung für Suchtkranke, im eigenen Bezirk zu behalten, vor den Gemeinderatswahlen 2010 publik. Entgegen den Ratschlägen „besorgter GenossInnen“ entschloss sie sich, die scheinbar unpopuläre Entscheidung mit zur Wahl zu stellen. Kaufmann konnte die Bezirksvorstehung verteidigen und gewann sogar hinzu – als einzige BezirksvorsteherIn Wiens.

In der politikwissenschaftlichen Literatur gilt die SPÖ als Appointmentpartei. Sie ist damit nur insofern demokratisch, als sie sich den Wahlen durch die BürgerInnen stellt. Eine verbindliche Mitgliederbefragung zu den Koalitionsverhandlungen, wie sie die deutschen SozialdemokratInnen wagten, scheint unvorstellbar. Trotzdem – nein, gerade deswegen – ist es für überzeugte SozialdemokratInnen notwendig die eigenen Überzeugungen in die Partei zu tragen und ihr nicht den Rücken zu kehren. Niki Kowall und Konsorten brauchen diese kritische Unterstützung – noch dringender braucht sie die SPÖ selbst.

Pierre Roschig
ist Teilnehmer des 6. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie 2013/14.

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