Kauf dir eine bessere Welt!

„Wenn möglichst viele Menschen nachhaltig, ökologisch und fair hergestellte Produkte kaufen, wenn immer mehr Menschen ökosoziale Anforderungen an die Unternehmen stellen, anstatt mit dem Finger auf sie zu zeigen und sie an den Pranger zu stellen, dann werden diese mittels kollektiver Kaufkraft zum Umdenken gezwungen, stellen nur noch gute Produkte her und richten ihr wirtschaftliches Handeln nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten aus.“

Bücher, die Thesen wie diese aufstellen, lassen sich auf den Bestsellertischen der letzten Jahre zuhauf finden. Was steckt dahinter und kann strategischer Konsum tatsächlich die Welt verbessern?

Die Antwort lautet wie so oft: Jein. Im Grunde verbirgt sich hinter der Idee ein mikroökonomischer Mechanismus: Konsumenten entscheiden welche Güter sie zu welchem Preis nachfragen und beeinflussen so die Gewinne der Unternehmen und damit indirekt die Richtung, in die sich die Ökonomie bewegt. Da jeder Anbieter möglichst erfolgreich sein will, wird er langfristig sein Angebot der Nachfrage anpassen. Durch die Befriedigung dieser Nachfrage kommt es zu einem Wohlfahrtsgewinn. Die Idee ist keineswegs eine neue, bereits 1776 schreibt Adam Smith: „Konsum ist der einzige Sinn und Zweck aller Produktion, und das Interesse des Produzenten sollte nur insoweit berücksichtigt werden, als es für die Förderung des Konsuminteresses nötig sein mag.“

In einer modellhaften Welt, in der der Konsument bestimmt was und wie viel der Produzent herstellt, kommt dem Konsumenten eine allumfassende Macht hinsichtlich seiner Nachfragemöglichkeiten zu, man spricht von Konsumentensouveränität. Nicht selten bedient sich populärwissenschaftliche Literatur dem der Konsumentensouveränität zugrundeliegenden Prinzip, allerdings ohne weitere Prüfung der dafür erforderlichen Voraussetzungen. Souverän ist der Konsument nämlich nur dann, wenn bestimmte Voraussetzungen tatsächlich vorliegen: Es bedarf einer gewissen „Freiheit“ des Konsumenten hinsichtlich seiner Konsumentscheidung, einer vollständigen Konkurrenz auf Seite der Produzenten und vollständiger Information aller Marktteilnehmer.

Sämtliche Voraussetzungen liegen in der Realität nicht vor:(1) Die Informationen der Produzenten über die Bedürfnisse der Konsumenten sind naturgemäß unvollständig. Produzenten sind mit dynamischen Präferenzen der Konsumenten konfrontiert, die sie zusätzlich maßgeblich selbst durch Marketingmaßnahmen beeinflussen. Selbst, wenn durch Marktforschung Informationen über Bedürfnisse erlangt werden, ist nicht gesagt, dass sich ein Anbieter für jedes Produkt findet (etwa bei Unterschreiten einer Mindeststückzahl).(2) Konsumenten unterliegen einer Budget-Restriktion und sind somit nur im Rahmen ihres Budgets souverän. Darüber hinaus ist auch die Information des Konsumenten unvollständig, er kann keinen vollständigen Überblick über das Marktangebot erlangen.(3) Produzenten wollen mit Hilfe von Marketing die Souveränität des Konsumenten einschränken. Die dem Konsumprozess(4) zugrunde liegende Bedürfnisinterpretation soll (durch Marketingmaßnahmen) so gestaltet werden, dass sie dem Warenangebot des Produzenten entspricht.

Der Konsument kann also nur wählen zwischen Produkten, die überhaupt am Markt angeboten werden, die Konsumentscheidung ist dabei maßgeblich von Marketingmaßnahmen der Produzenten geprägt. Selbst über die am Markt angebotenen Waren kann der Konsument keinen vollständigen Überblick erlangen (dazu zählen auch faktische Gegebenheiten, wie die örtliche Nähe zu verschiedenen Supermärkten). Außerdem ist seine Entscheidungsfreiheit durch die ihm zur Verfügung stehenden Mittel beschränkt, was man sich nicht leisten kann, kann man schließlich nicht nachfragen. Darüber hinaus gibt es Bedürfnisse, die vom Produzenten nicht erfüllt werden, etwa weil der Produzent nie davon erfährt oder weil die nachfragende Gruppe zu klein ist.

Konsumentensouveränität existiert also nicht bzw. nur zu einem gewissen Grad. Das heißt allerdings nicht, dass den Entscheidungen der Konsumenten kein Gewicht zukommt. Welche Handlungsspielräume uns Konsumenten übrig bleiben und welche Konsumentscheidungen vielleicht die nachhaltigsten bzw. (ethisch) richtigen sind, könnt ihr in meinem nächsten Blogeintrag lesen. Schließlich fragt sich jeder von uns tagtäglich im Supermarkt: Billig oder teuer? Bio oder nicht? Fairtrade oder nicht? 1 m2 Regenwald retten oder nicht? Einkaufsrevolution oder nicht?

(1) Slogan von www.utopia.de
(2) K. Hartmann, Ende der Märchenstunde – Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt (2009)
(3) A. Smith, Wealth of Nations (1776)
(4) Bedürfnis (Ein mit dem Streben nach Beseitigung verbundenes Mangelgefühl.) → Bedarf (Ein Bedürfnis konkretisiert sich an einem bestimmten Wirtschaftsgut [Erwerbswunsch]) → Nachfrage (Ein mit hinreichender Kaufkraft gestützter Bedarf).

 

Peter Gruber
ist Teilnehmer des 6. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie 2013/14.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Kauf dir eine bessere Welt!“

  1. Avatar von koblo

    Meiner Meinung nach liegt das eigentliche Problem beim Preis. „Schädliche Billigprodukte“ sind häufig nur so billig, weil sich ihre wahren Kosten verschleiern lassen. Die Zeche müssen andere Zahlen (der ausgebeutete Arbeiter, Umweltzerstörung, Gesundheitsschäden, Schulden usw.). Würde der Preis eines gespritzten Apfels aus Südafrika die Kosten durch Umweltverschmutzung und gesundheitliche Belastung des Konsumenten oder Apfelbauern durch Chemikalien usw. enthalten, wäre er wahrscheinlich teurer oder mindestens so teuer wie ein natürlich angebauter Bio-Apfel aus der Region. Diese Preisverzerrung betrifft heute so gut wie jedes Produkt. Nicht der Wille der Konsumenten ist also nötig, sondern eine Korrektur des Preises als Signalgeber. Hier ist eigentlich nur der Staat oder eine Staatengemeinschaft dazu in der Lage gesetzlich eine solche Korrektur vorzunehmen. Stimmen die Preise, wird auch die Informationslage des Konsumenten erheblich verbessert. Damit stimmen auch wieder die Konsumentscheidungen. Unbeliebt nur, da es unser Wohlstandsniveau erheblich senken würde. Gut aber, da unsere Entscheidungen nachhaltiger (Def. nach Brundtland-Report) ausfallen und wieder ethisch vertretbar werden.