Europäische Krisenpolitik: Europa auf Kriegsfuß

Als Antwort auf die Wirtschaftskrise stehen sich im Moment 2 verhärtete Fronten gegenüber, verkürzt gesprochen könnte man sagen: Tsipras gegen Merkel beziehungsweise Varoufakis gegen Schäuble. Keine Lösung scheint in Sicht. Noch verwunderlicher wirkt allerdings, dass die Bevölkerung der jeweiligen Länder und nahezu die gesamte politische Parteienlandschaft im politischen Gleichstrom schwimmt. Dies erkennt man besonders im öffentlichen Diskurs, wenn etwa sogar der deutsche Vizekanzler Gabriel postuliert, es reiche ihm jetzt langsam mit den Griechen (1). Wie ist es erklärbar, dass ein deutscher Sozialist das (in seinen Kernpunkten) sozialistische Programm der griechischen Regierung kritisiert?

An dieser Frage erkennt man das im Moment wohl grundlegendste Problem der Europäischen Union. Es geht bei diesem Problem allerdings nicht darum, ob das Programm der SYRIZA-Regierung nun sinnvoll ist oder nicht. Der springende Punkt ist, dass die europäischen Mitgliedsländer quasi auf Kriegsfuß miteinander stehen. Einer politischen Diskussion dieses Problems auf europäischer Ebene wird nicht der Hauch einer Chance gewährt. Wer denkt, in Europa würden die Fronten zwischen Nationalisten, Konservativen, Liberalen und Sozialisten gezogen, irrt. Nein, hier treten nicht politische Parteien gegeneinander an, denn das Match entscheidet sich zwischen Deutschland und Griechenland, zwischen Nationalstaaten, die eigentlich Partner in einer gemeinsamen Europäischen Union sein sollten. In dieser Union zählt im Moment nicht der Wahlsieg, sondern der Sieg im Machtpoker zwischen Nationen.

Warum wundert sich ganz Europa also, dass der Nationalismus wieder am Vormarsch ist, FPÖ und Front National oder gar die Goldene Morgenröte einen Siegeszug sondergleichen feiern? Tatsächlich wird doch die Bevölkerung der EU gerade mit dieser nationalistischen Ideologie indoktriniert, durch Politiker, als auch medial, indem man einen Kampf der Nationen heraufbeschwört.

Die Situation ist festgefahren, und die derzeitigen Verhandlungen zur Lösung der Krise auf nationalstaatlichem Niveau rollen Nationalisten den Teppich aus. Traurig, wenn man bedenkt, dass die grundlegenden Instrumente zur Behandlung dieser Thematik auf europäischer Ebene bereits bestehen. Das Europäische Parlament hat mit seiner konstruktiven Arbeit, die keinen Klubzwang und keine nationalen Grenzen kennt, bereits mehrfach bewiesen, dass es zur Lösung europäischer Probleme im Stande ist. Nichtsdestotrotz wird die aktuell wohl relevanteste europapolitische Diskussion auf nationalstaatlicher Ebene ausgetragen. Dies führt selbstverständlich zu verstärkten nationalen Ressentiments. Eine europäische Krise kann nur auf europäischer Ebene gelöst werden. Selbstverständlich ist es bis dahin noch ein weiter Weg. Voraussetzung für eine Krisenpolitik innerhalb des Europäischen Parlaments ist eine verstärkte Integration von europäischen Institutionen in den nationalen politischen Diskurs als auch eine erhöhte Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Und nicht zuletzt eine Übertragung der notwendigen Kompetenzen auf die europäische Ebene.

Das Rederecht für EU-Abgeordnete im österreichischen Nationalrat ist ein erster Schritt, doch allgemein herrscht „Europamüdigkeit“. Die nationalen Großparteien wollen ihren Einfluss bewahren. Dies ist allerdings paradox, ist doch die aktuelle Konstruktion der Krisenpolitik geradezu der Auslöser von „Europamüdigkeit“ und Nationalismus. Es muss den etablierten nationalen Parteien erst bewusst werden, dass sie sich mit dieser Politik selbst das Wasser abgraben. Wer nun in dieser Schuldendebatte das Recht auf seiner Seite hat, erscheint doch mehr als irrelevant, gegeben des hohen Einsatzes in diesem Machtspiel. Denn dieser Einsatz heißt Europa.

 

(1) Vgl. beispielsweise Fietz, Martina (2015): Gabriel fordert von Athen Anstand – und das völlig zu Recht! In: Focus Online http://www.focus.de/politik/deutschland/spd-chef-es-reicht-jetzt-griechenland-ist-eine-von-gabriels-gefaehrlichen-baustellen_id_4547665.html

 

Daniel Unterweger ist Teilnehmer des 7. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie 2014/15


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