Immer wieder wird jungen Menschen klar gemacht, dass sie alles im Leben erreichen können, dass ihnen die Welt offen steht. Studium, Ausbildung, guter Job, glückliches Leben, das sind die als selbstverständlich erscheinenden Maxime. Vermittelt wird dies als einer der Grundpfeiler unseres liberalen Lebens. Jeder kann alles erreichen, ist das Dogma das ausgegeben ist. Doch die Frage ist, ob dieses Versprechen denn für alle einlösbar ist. Wir möchten uns in diesem kurzen Artikel einem der Indikatoren zur Messung dieses Dogmas widmen: Soziale Mobilität, in einem vertikalen Sinne. Dabei beschreibt der Begriff die Mobilität zwischen sozialen Gruppen, also primär die Möglichkeiten eines Individuums seinen gesellschaftlichen Status zu verbessern oder auch zu verschlechtern. Voraussetzungen dieser Mobilität sind möglichst geringe Asymmetrien innerhalb der Gesellschaft, sei es materiell, in der Information oder auch in sozialen Voraussetzungen. Ziel eines Staates sollte es daher sein, möglichst alle BürgerInnen an der Wohlfahrt der Nation teilhaben zu lassen. Manch Autor geht gar so weit zu sagen, dass nicht nachhaltige Politiken zur Erzeugung von gesellschaftlicher Symmetrie dazu führen können, dass Benachteiligte die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates in Frage stellen, weil seine Spielregeln nicht mehr als fair empfunden werden [i]. (Vgl. Pegida, Trump Wählerschaft, etc.) Im Grunde genommen ist eine positive soziale Mobilität, die letztlich als Ziel hat, soziale Gruppen aneinander heranzuführen, aktive Politik gesellschaftlichen Frieden zu garantieren. Vor allem, da Chancengerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit zumeist zu einem virulenten Problem komplexer Gesellschaften werden [ii].
Indikatoren der sozialen Mobilität im vertikalen Sinne sind daher so vielfältig wie der Begriff selbst. Etwa könnte man den bourdieuschen Begriff des Habitus anführen und damit erklären, dass Personen bedingt durch den ihnen durch ihr Umfeld gegebenen Habitus, also u.a. der Fähigkeit zur Artikulation oder den sog. „Manieren“, Grenzen gezogen werden, die Aufstieg verhindern. Dazu Daten zu erfassen ist allerdings schwer, deshalb blicken wir auf einen oftmals genannten Indikator für Mobilität, der intergenerationellen Weitergabe von Bildung.
Bildungsmobilität
Ein Beitrag der Wirtschaftsuniversität Wien [iii], der sich auf den EU-SILC Report 2011 bezieht, befasst sich unter anderem mit der intergenerationellen Mobilität, also der Mobilität zwischen Eltern und Kindern. Dabei zeigen die Zahlen für Österreich ein interessantes Bild. Zu aller erst wird festgestellt, dass Kinder dessen Eltern ein höheres Einkommen beziehen, später eine bessere Bildung erhalten. Ein Fakt, der so nun keinen von uns überraschen sollte. Genauere Betrachtung benötigt im Gegensatz dazu die Vererbung von Bildung. Demnach erreichen über die Hälfte der Kinder mit einem akademischen Elternhaus ebenso einen akademischen Abschluss. Im Gegensatz dazu stehen die Kinder dessen Eltern eine Pflichtschule oder eine Lehre absolviert haben. Diese kommen zu 60% zu einem Lehrabschluss. Anders geschrieben sind sie an Universitäten eine Minderheit im einstelligen Prozentbereich. Die Zahlen für Personen mit Migrationshintergrund sind noch alarmierender.
Die Lehre hat goldenen Boden
Nun ist es natürlich nicht immer so, dass ein abgeschlossenes Studium einen höheren Lohn garantiert [iv], dennoch können wir im Durchschnitt davon sprechen, dass ein universitärer Abschluss längerfristig ein gutes finanzielles Auskommen garantiert. Dennoch ist die akademische Reproduktion einer bestimmten Gruppe zu erkennen, die bereits im vorschulischen Bereich [v] Kinder anderer sozialer Gruppen abhängt. Nun bestand im sog. „golden age of capitalism“ nicht primär die Notwendigkeit eine erhöhte Mobilität zu schaffen, da der Kompromiss zwischen den Interessen der kapitalistischen Wirtschaft und denen der arbeitenden Bevölkerung [vi] im groben Zügen gegeben war. Mein Vater etwa neigt stets dazu eine bestimmte Floskel „seiner Zeit“ zu wiederholen: „Die Lehre hat goldenen Boden“ oder wie vielleicht manch Nostalgiker heute sagen würde: „Die Lehre hatte goldenen Boden.“ Natürlich können wir nicht pauschal davon sprechen, dass Lehrberufe grundsätzlich schlecht bezahlt sind, dennoch sind in einer Welt in der inflationär von der Industrie 4.0. und neuen Arbeitsteilungen gesprochen wird, gerade akademische Abschlüsse gefragt. In diesem Sinne besteht eine durch die Sozialisation gegebene Benachteiligung.
Weitere Indikatoren
Neben der Vererbung von Bildung sind natürlich auch Erbschaften, soziale Netzwerke [vii] oder auch die geographische Lage Indikatoren die vererbt werden. Es sind längst nicht mehr nur Piketty oder Stiglitz die anmerken, dass Erbschaften reicher Eliten ein Problem der Zukunft sein wird. Ganz im Sinne dessen, dass die Vermögen des einen die fehlenden Ressourcen des anderen sind. Talent und Fleiß allein können nur gering die Benachteiligung entschärfen. Die Ironie ist doch, dass eben das neoliberale Projekt Aufstiegsmöglichkeiten für alle versprochen hat, dass der Antrieb zur Erzielung allgemeinen Wohlstands auf Ungleichheit zurückgeführt werden kann. Die Armen würden sich auf den nachahmenswerten Lebensstandard der Reichen anstrengen und so zur allgemeinen Wohlstandsentwicklung der Gesellschaft beitragen; die Reichen investieren gewinnbringend in Arbeitsplätze und schaffen Voraussetzungen für das (unbeabsichtigte) Wohlergehen der Ärmeren [viii]. Sind nicht gerade die genannten Asymmetrien kein Movens der zu Wohlstandmaximierung führt?
Die Gretchenfrage
Wie können wir nun eine symmetrische Ausgangslage erzeugen, die vor allem gesellschaftlichen Aufstieg ermöglicht? Auch diese Frage ist nur schwer zu beantworten. Gesamtschulen, ein bedingungsloses Grundeinkommen, Ausbau staatlicher Kinderbetreuungsinfrastruktur, die Erhöhung der Studienbeihilfen, die Verlängerung von Beihilfen, etc., all dies wäre es wert in einem eigenen Artikel diskutiert zu werden. Die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen um das Versprechen einer mobilen Gesellschaft, gerade im Sinne einer aktiven Zukunftsgestaltung, zu erfüllen, sollte das Ziel staatlichen Handelns sein. Dies könnte schon bei transparenter Information gegenüber ArbeitnehmerInnen beginnen, und bei einer großen schulischen oder ökonomischen Reform enden, die das Ziel hat Armut zu minimieren in dem man es möglich macht das Gruppen mit geringer vertikaler sozialer Mobilität die Möglichkeit erhalten in andere soziale Gruppen aufzusteigen.
Quellen:
[i][ii] Senghaas, Dieter (2004): Zum irdischen Frieden. Erkenntnisse und Vermutungen, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
[iii] https://epub.wu.ac.at/3778/
[iv] http://www.spiegel.de/karriere/gehalt-im-berufsleben-haengt-von-der-ausbildung-ab-a-1105981.html
[v] https://epub.wu.ac.at/3778/
[vi] Crouch, Colin (2015): Postdemokratie, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
[vii] http://blog.arbeit-wirtschaft.at/warum-es-soziale-mobilitaet-der-realitaet-kaum-gibt/
[viii] EIßEL, Dieter (2008): „Ungleichheit und Armut als Movens von Wachstum und Wohlstand.“,In: HUSTER / BOECKH / GROTJAHN (Hrsg.) (2012): Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung; Wiesbaden: Springer VS; 63-77.
Armin Edelmayer war Teilnehmer des 9. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie