In einer flammenden Rede vor dem EU-Parlament im Juli letzten Jahres kündigte die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen umfassenden Klimaschutz, inklusive eines „Green Deal“, für Europa an. Die Ankündigung ist richtig und wichtig, denn der Investitionsbedarf zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ist immens: Der Weltklimarat schätzt in seinem Sonderbericht, dass zwischen 2015 und 2035 jährlich 2,53% des weltweiten BIPs als Investitionen zur Erreichung des Ziels notwendig sind (de Coninck et al (2018)). Die EU nimmt dies als Ausgangspunkt, um ihre erforderlichen Investitionen auf rund 2,8% des BIPs, oder bis zu 575 Mrd. Euro jährlich zu bemessen. Durch diese Investitionen soll das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden (Europäische Union (2019b)). Bei einem EU-Budget von 145 Mrd. Euro in 2018 ist klar, dass der Großteil der Investitionen nicht durch direkte Finanzhilfen aus Brüssel abgedeckt ist. Eine propagierte Alternative: Privatwirtschaftliche Investitionen in nachhaltige Projekte.
Nachhaltige Investments in Österreich
Nachhaltige Investitionen sind in Österreich im Trend. Allein 2018 wuchs das nachhaltig veranlagte Vermögen um 66% auf 65 Mrd. Euro an (Abbildung 1). Hierbei wird zwischen nachhaltigen Geldanlagen, bei welchen auf Produktebene nachhaltige Anlagestrategien festgelegt werden, und verantwortlichen Investments, wo Kriterien auf Institutionsebene festgelegt werden, unterschieden. Wie die Finanzmarktaufsichtsbehörde (2019) zeigt, sind auch Anzahl und Volumen der Nachhaltigkeitsfonds nach dem österreichischem Umweltzeichen (UZ49) seit Jahresbeginn stark angestiegen. In dieser strengeren Kategorisierung waren zum Stichtag 30.09.2019 9,3 Mrd. Euro in 77 Fonds veranlagt (Jahresbeginn: 5,6 Mrd. Euro in 57 Fonds).
Was sind nachhaltige Investments?
Die Problematik der Klassifikation von nachhaltigen Investments – was sind ökologische Wirtschaftsaktivitäten? – besteht allerdings weiterhin. Aktuell gibt es keine einschlägige Definition und so werden Investmentfonds bereits als „nachhaltig“ angepriesen, wenn sie mit Unternehmen in den Dialog treten, um ethisch-ökologische Themen zu besprechen, gleichzeitig aber weiterhin Milliarden in klimaschädliche Projekte investieren (Verbraucherzentrale NRW e.V. (2014)).
Im Dezember hat sich die Union deswegen im Trilog auf eine einheitliche Klassifikation, die sog. Taxonomie, von nachhaltigen und grünen Investitionen geeinigt. Diese soll Klarheit in den Definitionen sowie Transparenz und Vertrauen hinsichtlich der „grünen“ und „nachhaltigen“ Begrifflichkeiten schaffen und gleichzeitig „greenwashing“ verhindern. Problematisch ist allerdings eine Blockadehaltung von sieben Mitgliedsstaaten, die Kernenergie ungeachtet der Schädlichkeit durch Nuklearabfälle und entgegen der Empfehlung der Technical Expert Group als grünen Energieträger durchbringen möchten. Frankreich ist hier durch seine starke Abhängigkeit von der Kernenergie federführend (Europäische Union (2019a)).
Weitere Kritikpunkte bestehen in der Anreizsetzung, überhaupt auf nachhaltige Investitionen umzusteigen. Da die Taxonomie nur für Finanzakteure anwendbar ist, die tatsächlich nachhaltige Finanzprodukte anbieten wollen, ergibt sich ein zusätzlicher Aufwand aus Offenlegungspflichten, der sich dann auch in der Bepreisung der Verwaltungskosten der Finanzinstrumente widerspiegelt. Hier ist eine Anwendbarkeit für alle Akteure inklusive einer Kennzeichnung, sofern in nicht-nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten investiert wird, notwendig. Zusätzlich sind konkrete Anreize zur Investition in nachhaltige Geldanlagen wesentlich, Transparenz reicht nicht aus, auch monetäre Anreize müssen geschaffen werden. Mit Blick auf die geplante Aktiensteuer vom deutschen Finanzminister Olaf Scholz, welche zwar in ihrem Konzept rückständig, aber als Ansatz für baldige Erweiterungen wünschenswert ist, könnten steuerliche Vorteile für den Erwerb von nachhaltigen Investments diesen Anreiz setzen. Da die Umsetzung auch aufgrund der österreichischen Blockadehaltung wiedermal unwahrscheinlich ist, stellt sich die Frage nach der Effektivität privatwirtschaftlicher Investitionen.
Warum es eine (zusätzliche) staatliche Finanzierung braucht!
Aufgrund der fehlenden Skalierbarkeit sowie Steuerung der Investitionen kann nicht von einem Ausmaß der Investitionen ausgegangen werden, das notwendig ist, um klimaschädliche Emissionen auch kurzfristig zu reduzieren. Hier sind zusätzlich immense staatliche Investitionen notwendig.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hat hier erst kürzlich eine Auflockerung der Defizit- und Schuldenregeln nach den Maastricht-Kriterien ins Spiel gebracht. So sollen Investitionen in nachhaltige Projekte von der Berechnung des Budgetdefizits ausgenommen werden. Dies unterstützen neben dem Europäische Fiskalausschuss auch zahlreiche Mitgliedsstaaten, wie Portugal, Spanien und Italien (Valero (2019)).
Warum überhaupt eine Kreditfinanzierung? Schauen wir uns die Klimaschutzbestrebungen für Österreich an: Die neue Bundesregierung aus Grünen und ÖVP hat eines der ehrgeizigsten Klimaschutzprogramme der Europäischen Union vorgestellt: Nur erneuerbare Energiequellen ab 2030 und die Nettonull bei den Treibhausgasemissionen ab 2040, 10 Jahre vor der Zielsetzung der Europäischen Union. Schulmeister (2020) zeigt die immensen Investitionen auf, die allein im Energiesektor zur Erreichung der Ziele notwendig wären: 7 Mrd. € für Windenergie, 4 Mrd. € für die Förderung von Photovoltaikanlagen und Milliarden für weitere Wasserkraftwerke. Die notwendigen Milliardeninvestitionen im Verkehr, in den Gebäudesanierungen sowie in der Abfallwirtschaft sind da noch gar nicht inkludiert. Bei einem Finanzierungsüberschuss von 2 Mrd. € in 2018 ist bei Weitem nicht genügend Spielraum für Klimainvestitionen, ohne gleichzeitig das Budget in wichtigen Bereichen wie Soziales noch weiter zu reduzieren. Gleichzeitig sind die Zinsen für österreichische Staatsanleihen und damit die Zinskosten des Fiskus auf dem niedrigsten Stand seit Jahren. Und sie werden noch weiter sinken. Der Fiskalrat (2019) zeigt in seiner Zinskostensimulation, dass dank des weiterhin niedrigen Marktzinsumfelds der Zinsaufwand bis 2023 weiter um bis zu 2 Mrd. € sinken wird (Abbildung 2).
Auch die Logik hinter der Kreditfinanzierung ist klar: Von den Investitionen, die jetzt in den Klimaschutz getätigt werden, profitieren zukünftige Generationen überproportional viel. Warum sollen diese Generationen sich nicht auch an der Finanzierung mithilfe der Zinskosten beteiligen? Aber auch eine zusätzliche Steuerfinanzierung ist sinnvoll. Hier können diejenigen, die besonders viel Treibhausgasemissionen ausstoßen mithilfe einer C02-Steuer an der Finanzierung beteiligt werden. Wer wissen will wie das geht, muss nur nach Schweden blicken: Mit der höchsten Bepreisung in ganz Europa konnte Schweden den CO2-Ausstoß seit den 90er-Jahren um über 20% reduzieren, während er in Österreich weiter gestiegen ist (Bachmann 2019)).
Die Green Finance Initiative der Europäischen Union ist begrüßenswert. Hierdurch werden die Marktteilnehmer hinsichtlich der Bedeutung von Finanzinvestitionen sensibilisiert und es wird Druck auf die Unternehmen aufgebaut, klimaschädliche Wirtschaftstätigkeiten zu reduzieren. Als Motor, der die dringend notwendigen Klimaschutzaktivitäten finanziert, ist das allerdings nicht ausreichend. Hier müssen staatliche Investitionen gezielt dort getätigt werden, wo sie schnell und effektiv Treibhausgasemissionen einsparen können. Zu warten, bis Investoren die richtigen Projekte finanzieren, ist beim Kampf gegen den Klimawandel nicht geboten. Die Zeit ist bereits abgelaufen.
Quellenverzeichnis
- Bachmann (2019): Hat Schweden den Heiligen Gral zur Klimarettung gefunden?, abrufbar unter: https://www.moment.at/story/schwedens-co2-steuer, abgerufen am 08.02.2020
- de Coninck, H., Revi, A., Babiker, M., Bertoldi, P., Buckeridge, M., Cartwright, A., … & Ley, D. (2018): Strengthening and implementing the global response.
- Europäische Union (2019a): Taxonomy Technical Report
- Europäische Union (2019b): Unser Ziel: Kimaneutralität bis 2050.
- Finanzmarktaufsichtsbehörde (2019): QUARTALSBERICHT Q3 2019 ASSET MANAGEMENT
- Fiskalrat (2019): Bericht über die öffentlichen Finanzen 2018-2020.
- Forum nachhaltige Geldanlagen (2019): Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2019, abrufbar unter: https://forum-ng.org/images/stories/Publikationen/fng-marktbericht_2019.pdf, abgeru-fen am 06.02.2020
- Schulmeister (2020): Klimaziele sind ohne Schulden unerreichbar, in Der Standard, abrufbar un-ter https://www.derstandard.at/story/2000113393359/klimaziele-sind-ohne-schulden-unerreichbar, abgerufen am 07.02.2020
- Valero (2019): Wird der Stabilitätspakt grüner? Brüssel dämpft Erwartungen, in EURACTIV.com, abrufbar unter: https://www.euractiv.de/section/eu-innenpolitik/news/wird-der-stabilitaetspakt-gruener-bruessel-daempft-erwartungen/, abgerufen am 06.02.2020
- Verbraucherzentrale NRW e.V. (2014): Ethisch-ökologische Aktienfonds, abrufbar unter: https://www.verbraucherzentrale.de/sites/default/files/migration_files/media229836A.pdf, abgerufen am 06.02.2020
Der Autor ist Teilnehmer des 12. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie.