Die Macht des Geldes: Gender Budgeting in Österreich

„Politische Entscheidungen basierten nicht auf Zahlen.“ (Rechnungshof Österreich, 2017)

Das BMF gab Indikatoren an, „die weder nachvollziehbar waren, noch den tatsächlichen Istwerten dieser Jahre entsprachen.“ (Rechnungshof Österreich, 2017)

„Meistens werde zu einer politischen Entscheidung die wirkungsorientierte Folgenabschätzung zum Schluss ,dazugebastelt´.“ (Rechnungshof Österreich, 2017)

Diese Aussagen stammen alle aus einem Rechnungshofbericht aus dem Jahr 2017. Das Thema? Genderaspekte im Einkommensteuerrecht. Der Zweck? Die Implementierung des Gender Budgeting in Österreich evaluieren. Das Ergebnis? Stark ausbaufähig. Doch worum geht es beim Gender Budgeting überhaupt?  

Gender Mainstreaming & Gender Budgeting – Was ist das?

Frauen und Männer haben in unserer heutigen Gesellschaft unterschiedliche Lebensrealitäten. Sie verhalten sich verschieden, sie haben verschiedene Bedürfnisse. Daher ist es wohl kaum überraschend, dass politische Maßnahmen auch unterschiedliche Wirkungen entfalten. Gender Mainstreaming hat daher zum Ziel, ebenjene geschlechtsspezifische Perspektiven in den politischen Prozess zu integrieren, um die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen.

Gender Budgeting ist ein spezieller Aspekt des Gender Mainstreaming, nämlich der der Finanzpolitik. Es wird in der Budgetplanung/-erstellung & -umsetzung mit dem Ziel eingesetzt, Gendernormen aufzubrechen und so Gleichstellung zu erreichen (Bundeskanzleramt Österreich, 2023). Diese soll unter anderem eine höhere Lebensqualität und eine fairere Aufteilung von unbezahlter Care-Arbeit erreichen. Und zwar für alle Geschlechter.

Konkret verfolgt Gender Budgeting laut Premrov (2023) 4 Ziele:

  1. Geschlechtsspezifische Lücken reduzieren bzw. schließen: zum Beispiel den Gender Pay Gap (Lohnungleichheit), den Gender Pension Gap (Pensionsungleichheit) oder den Gender Wealth Gap (Vermögensungleichheit)
  2. Wohlbefinden von Frauen steigern
  3. Budgetwirksamkeit überprüfen: durch Gender Impact Assessments
  4. Frauen in den Budgetprozess mehr miteinbeziehen

Aber was genau macht Gender Budgeting nun zu so einem wirkungsvollen Instrument? Die Antwort ist simpel – und wohlbekannt:  Wer das Geld hat, hat die Macht. Wie das Geld aufgeteilt wird, bestimmt also, wer in Zukunft die Macht bekommt – oder auch nicht. Werden durch das Budget nun Maßnahmen gefördert, von denen hauptsächlich Männer profitieren, schaut es mit der Gleichstellung der Frauen auch in Zukunft bescheiden aus. So sollen bereits vorhandene Ungleichheiten enthüllt und verstanden werden, um so dann evidenzbasierte Politik betreiben zu können und folglich bei neuen Maßnahmen zu schauen, ob diese die genderspezifische Ungleichheit reduzieren können (Schneebaum, 2022).

Geschichte des Gender Budgeting

Seine Ursprünge hat Gender Budgeting in der Feministischen Ökonomik. Erstmalige öffentliche Aufmerksamkeit erlangte das Thema 1989 durch die Stellungnahme der UK Women’s Budget Group, einer zivilgesellschaftlichen Organisation. Doch spätestens seit der 4. Weltfrauenkonferenz der UN 1995 wurde Gender Budgeting eine weltweit bekannte Strategie (Premrov, 2023).

Einschnitte zur Umsetzung von Gender Budgeting gab es einerseits durch die Austeritätspolitik in Folge der Finanzkrise 2008/9 sowie auch durch die COVID-19-Krise. Denn ersteres führte zu einer Flexibilisierung am Arbeitsmarkt, Kürzungen von Ausgaben sowie zu einer Verschiebung von Machtstrukturen, von welchen primär Frauen negativ betroffen sind. Weiters kam es in Folge der Schließung externer Betreuungseinrichtungen in der COVID-19-Krise zu einer Stärkung der klassischen Rollenverteilung, da Frauen hauptsächlich die zusätzlich anfallende Care-Arbeit übernahmen. Ebenso fand keine Aufwertung sozialer Berufe, einer weiblich dominierten Branche, statt (Premrov, 2023).

Quelle: eigene Darstellung

Gender Budgeting in Österreich

In Österreich bemüht man sich schon lange darum, Gender Budgeting bzw. Gender Mainstreaming umzusetzen. Den allerersten Ministerratsbeschluss zum Thema Gender Mainstreaming gab es im Jahr 2000, im Verfassungsrang steht Gender Budgeting seit dem Jahr 2009 (Artikel 13 Absatz 3 B-VG), Österreich nimmt hierbei eine Vorreiterrolle ein. Ein weiterer Meilenstein wurde mit der Budgetreform 2013 erreicht. Denn ab hier wurde das Ziel der Wirkungsorientierung festgelegt. Das bedeutet, dass jedes Ressort in der Budgetplanung fünf Wirkungsziele formulieren muss, also Ziele, die mit dem ausgegebenen Geld erreicht werden wollen. In diesen fünf Wirkungszielen muss mindestens ein Gleichstellungsziel enthalten sein (Bundeskanzleramt Österreich, 2023).

Es gibt jedoch Kritikpunkte an dieser Vorgangsweise: So existiert beispielsweise keine Regelung, wie relevant dieses Gleichstellungsziel im Verhältnis zu den anderen Zielen sein muss. Kritiker:innen schlagen deshalb vor eine Gesamtstrategie zu entwickeln, anstatt jedes Ressort einzeln zu betrachten. Mit dem status quo kann es zwar durchaus passieren, dass ein Ressort vernünftige Ansätze hinsichtlich Gleichstellung hat, jedoch kann es vorkommen, dass es durch ein anderes Wirkungsziel des eigenen Ressorts oder eines anderen Ressorts zunichtegemacht wird (Rechnungshof Österreich, 2017).

Probleme beim Gender Budgeting

Bewertet wird die Erfüllung der Gleichstellungsziele in Österreich durch selbst gewählte Key Performance Indicators (KPIs) der Ministerien. Im Rahmen der Budget-Evaluierung des Rechnungshofes werden diese analysiert: Oftmals sind die gewählten KPIs ungeeignet. Beispielsweise dann, wenn die Berechnungsmethode nicht den international gängigen Methoden folgt und daher im Weiteren nicht zum internationalen Vergleich herangezogen werden kann. Außerdem sind die gemessenen Maßzahlen oft ungeeignet, den Gleichstellungsgrad zu beurteilen. Einerseits, weil sie von den Budgetplaner:innen unpassend gewählt wurden (Rechnungshof Österreich, 2017). Andererseits, weil in der derzeitigen datengetriebenen Gesellschaft ein sogenannter Gender Data Gap existiert. Das bedeutet, dass viele erhobene Daten Frauen unzureichend miteinbeziehen und geschlechtsspezifische Differenzen erst gar nicht zum Vorschein kommen. Das führt zu einer verzerrten Darstellung der tatsächlichen Lebensrealitäten von Frauen, wodurch die Etablierung effektiver Gleichstellungsmaßnahmen zusätzlich erschwert wird (Criado-Perez, 2020).

Ausblick

Die harte Realität der österreichischen Umsetzung im Bund klingt frustrierend. Oder mit den Worten der OECD (2016) ausgedrückt:

 „Since the introduction of Gender Budgeting no policy impacts have been reported.”

Besser klingt es auf lokaler Ebene: Hier wird Gender Budgeting ambitionierter implementiert, beispielsweise in der Stadt Wien oder auch auf lokaler Ebene in Deutschland. Hoffnung generiert auch der unermüdliche zivilgesellschaftliche Einsatz durch die UK Women’s Budget Group (O’Hagan & Klatzer, 2018). Und aus heutiger Sicht ist Hoffnung und zivilgesellschaftlicher Einsatz das, an was es sich zu klammern gilt.

Sarah Kirchgatterer war Teilnehmerin des 15. Jahrgangs der Wirtschafspolitischen Akademie.

Literaturverzeichnis:

Bundeskanzleramt Österreich. (2023). Gender Mainstreaming und Gender Budgeting. Bundeskanzleramt Österreich. https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/frauen-und-gleichstellung/gender-mainstreaming-und-budgeting.html

Criado-Perez, C. (2020). Invisible women: Exposing data bias in a world designed for men. Vintage.

OECD. (2016). Gender Budgeting in OECD Countries. Report for the 37th  Annual Meeting of OECD Senior Budget Officials. OECD.

O’Hagan, A., & Klatzer, E. (Hrsg.). (2018). Gender Budgeting in Europe. Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-319-64891-0

Premrov, T. (2023, März 4). Gender Budgeting [Workshop-Folien]. Sommersemester-Eröffnungswochende der Wirtschaftspolitischen Akademie, Hirschwang. blob:https://web.telegram.org/65d36640-1140-4528-a591-3782792eed41

Rechnungshof Österreich. (2017). Bericht des Rechnungshofes: Genderaspekte im Einkommensteuerrecht mit dem Schwerpunkt Lohnsteuer (GZ 004.302/008-1B1/17; S. 110). https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVI/III/52/imfname_674411.pdf

Schneebaum, A. (Regisseur). (2022, Juni 3). Gender Budgeting [Youtube-Video]. Youtube. https://www.youtube.com/watch?v=s3iXmk8UMak


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