Wie wir uns wegautomatisieren lassen können

KI nimmt uns allen die Jobs weg und sorgt für Massenarbeitslosigkeit? Die Prognosen sagen ja, aber es gibt Möglichkeiten, diese Entwicklung zugunsten der Vielen zu gestalten.

Seit den Anfängen der Industriellen Revolution ist sie omnipräsent – die Mär, dass wir alle durch Maschinen ersetzt werden. Im aktuellen KI -Boom ist diese Gruselgeschichte wieder ganz oben auf den Agenden der Medien. Von ChatGPT bis hin zu Robotern, die Fabrikarbeit verrichten, menschliche Arbeit wird als ersetzbar gesehen. Das aber mit gutem Grund, zumindest aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive. Menschen sind zu spät, werden krank, machen Fehler, wollen Lohn und erdreisten sich sogar, Urlaub zu verlangen. Bei Maschinen, die Arbeit verrichten, fällt allemal eine Wartung an, die mit einer einfachen Einmalzahlung gemacht ist. Die Sache ist also für die Chef- und Managementetagen klar: Automatisieren was geht und wo es billiger ist. Diese Klarheit schafft jedoch eine Ähnliche beim Rest der Bevölkerung. Diese müssen drei verschiedene Ansätze Vertreten, um eine Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern.

  1. Gewerkschaften, als Vertreter der Arbeitenden, müssen mit fachlicher Expertise zum ersten Mal nicht gegen, sondern mit der Automatisierung arbeiten!
  2. Die Arbeitenden mit Wahlrecht müssen bei ihren demokratischen Vertreter*innen in den Regierungen auf einen regulatorischen Rahmen pochen, in welchem sie die Automatisierung überstehen!
  3. Die Steuerstruktur muss angepasst werden, um noch größere Konzentrationen und Disparitäten in der Vermögensverteilung zu verhindern, damit die Position der Demokratie sichergestellt werden kann!

Wie sollen diese Ansätze im Detail aussehen und wie kann man diese umsetzen? Die Frage nach den Details wird später beantwortet, was viel wichtiger ist, ist die Geschwindigkeit. Dass die Welt schneller geworden ist, ist anhand der letzten 100-200 Jahre ersichtlich. Die Revolutionen der Arbeitswelten gingen jedoch relativ langsam von statten. In der industriellen Revolution brauchte diese ca. 100 Jahre. Dies lies den Arbeitenden theoretisch im Vergleich viel Zeit, um sich zu adaptieren – auch wenn die praktischen Möglichkeiten manchmal nicht gegeben waren. Die Revolution durch moderne Technologien ab den 1970ern war tiefgreifend – und dauerte nicht halb so lange wie die industrielle Revolution. Alle Indizes deuten darauf hin, dass die KI-Revolution noch schneller sein wird (WEF 2022) – mit potenziell katastrophalen Auswirkungen auf Arbeitende. Deshalb ist Geschwindigkeit das Nonplusultra der aktuellen Lage. Auf politischer sowie auf sozialer Ebene gibt es viel zu tun, denn in allen Sektoren wird automatisiert, besonders aber in den „middle-skill“ Sektoren. (Jerbashian 2019)

Die Gewerkschaften müssen ihre Strategien von Grund auf ändern. Wo sie sich früher gegen Automatisierung und für das Fortsetzen von menschlicher Arbeit eingesetzt hatten, müssen sie jetzt den Arbeitenden eine neue Perspektive bieten. Schon Jahoda & Lazarsfeld wussten, dass Arbeit wichtig für die Natur des Menschen ist, Arbeit gibt dem Tag Struktur. Eine schnelle Automatisierungswelle würde viele Menschen psychosozial zugrunde richten. Daher müssen die Gewerkschaften folgendes tun:

  • Expertise muss geliefert werden! Um die Arbeitenden effektiv zu verstehen und zu vertreten, braucht es know-how über ebenjene Technologien, mit denen die Arbeitenden ersetzt oder degradiert werden.
  • Unterstützung von augmentiertem Arbeiten! Besonders dort, wo menschliche Arbeit nicht ganz eliminiert werden kann, braucht es starke Gewerkschaften, um Bedingungen zu verbessern – zum Beispiel mit weniger Arbeitszeit, um Jobverluste zu vermeiden.
  • Kapazitäten für Bildung schaffen! Wo Automatisierung nicht mehr aufzuhalten ist, müssen sich Gewerkschaften mit Regierungen und Arbeitgebenden zusammensetzen, um Programme ins Leben zu rufen, die betroffenen Menschen eine gute und vor allem schnelle berufliche Zukunft verspricht – vielleicht sogar im Sinne einer Jobgarantie. (Nissim/Simon 2021)

Die Regierungsarbeit ist ebenso, wenn nicht sogar wichtiger als die gewerkschaftliche. Hier müssen Wählende über die gewerkschaftliche Organisation hinausgehen und die Parteien wählen, die ihre Interessen bezüglich KI entsprechend durchsetzen. Regierungen stehen in einer besonderen Verantwortung, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Menschen ein gutes Leben ermöglichen. Während auf EU-Ebene bereits der AI-Act vorliegt, ist in den Nationalstaaten Bedarf an spezifischeren Regelwerken, da verschiedene Regionen unterschiedlich vulnerabel sind. Auch auf die Rechte der Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz darf nicht vergessen werden. Was also getan werden muss:

  • Arbeitnehmende schützen! Was im AI-Act geschrieben ist, muss konsequent umgesetzt und entwickelt werden.  Privatsphäre darf durch exzessive Kontrolle des Managements nicht verletzt werden. KI am Arbeitsplatz muss als Gefahr gesehen werden und stetig kontrolliert werden. (Doellgast 2023)
  • Soziale Ungleichheiten von Anfang an stoppen! Automatisierung mit KI hat das Potenzial, Ungleichheiten massiv zu verschlimmern. Hier muss der Staat eingreifen, um die Schere zwischen Arm und Reich klein zu halten. Die Möglichkeiten hierfür sind quasi endlos – von Förderungen für Arbeitssuchende, über Unterstützung bei Neuverortung, bis hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen.
  • Eingriffe normalisieren! Die Geschwindigkeit und Größe der Entwicklung von KI bewegen sich auf einer bislang unbekannten Skala. Der Staat hat eine Pflicht, seine Bürger*innen zu schützen. Eine gewisse Bremswirkung erlaubt Arbeitenden sowie Arbeitgebenden sich besser auf die Entwicklungen einzustellen und kontinuierliche Eingriffe in die KI-Regulierung demokratisiert diese Verfahren zu einem gewissen Grad (Wright/Schultz 2018)
  • Die Steuerstruktur umstellen! Im Falle, dass der Löwenanteil der Arbeitenden kaum oder nicht mehr arbeitet, muss desaströsen Effekten vorgebeugt werden – zum Beispiel durch Robotersteuern, Vermögenssteuern, oder anderen Maßnahmen, die eine nachhaltige Arbeitsentwicklung fördern (Nissim/Simon 2021)

Mit diesen Ideen, sollten sie in der Praxis Anwendung finden, können wir uns getrost wegautomatisieren lassen!

Konstantin Philipp war Teilnehmer des 15. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie

Quellen:

Doellgast 2023: Virginia Doellgast (2023) Strengthening social regulation in the digital economy: comparative findings from the ICT industry, Labour and Industry, 33:1, 22-38, DOI: 10.1080/10301763.2022.2111987

Jerbashian 2019: Vaghan Jerbashian (2019) Automation and Job Polarization: On the Decline of Middling Occupations in Europe; OXFORD BULLETIN OF ECONOMICS AND STATISTICS, 81, 5 (2019) 0305–9049 doi: 10.1111/obes.12298

Nissim/Simon 2021: Gadi Nissim/Tomer Simon (2021) The future of labor unions in the age of automation and at the dawn of AI; Technology in Society 67 (2021) 101732

WEF 2022: https://www.weforum.org/agenda/2022/12/retailers-artificial-intelligence-robots

Wright/Schultz 2018: Scott Wright/Ainslie Schultz (2018) The rising tide of artificial intelligence and business automation: Developing an ethical framework; Business Horizons (2018) 61, 823-832


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