Investitionen und das Spekulieren mit Wohnen

Die Wohnungsmärkte Europas spitzen sich seit Jahrzehnten zu. Vor allem in europäischen Metropolen wie Berlin, Barcelona und Paris steigen die Mietpreise rasant an. Indizien für die prekäre Lage sind in den politischen Diskursen zu erkennen. In immer mehr Städten steigt die Unzufriedenheit der Bevölkerung. So werden Forderungen nach Mietpreisbremsen lauter und Volksbefragungen über Enteignungen großer Immobilienunternehmen wie in Berlin möglich (Braneck, 2022).

Es sind genau die oben genannten Städte, in welchen institutionelle Investoren immer mehr Immobilien ankaufen. Die Rolle institutioneller Investoren steigt am europäischen Wohnungsmarkt, vor allem in Metropolen, seit Jahren an. (Gabor & Kohl, 2022) Die essenzielle Frage ist, ob wohnen, welches von vielen als Menschenrecht angesehen wird, auch gleichzeitig eine profitorientierte Anlage sein kann. (Doucet, 2021)

Dieser Blogbeitrag befasst sich mit dem Einfluss den institutionelle Investoren auf europäische Wohnungsmärkte haben, inwieweit dieser von europäischer Legislatur verstärkt wird und inwiefern dieser wieder reguliert werden könnten.

Das Gut Wohnen

Durch die Spezifika des Gutes Wohnen kann nicht erwartet werden, dass die Marktmechanismen zu einer effizienten Allokation und ausreichender Versorgung von Wohnraum führen können. (Tockner, 2012) Die Nachfrage nach Wohnraum ist unelastisch, da Konsumverzicht (fast) unmöglich ist. Am Wohnungsmarkt herrscht Asymmetrie zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen, des Weiteren ist das Gut Wohnen von Natur aus heterogen und immobil. Das Angebot kann sich nicht sofort und problemlos an die Nachfrage anpassen, wie es bei einem Konsumgut wie beispielsweise Schokolade durchaus sein kann. Weitere Gründe für eine schlechte Anpassung zwischen Angebot und Nachfrage sind die hohen Errichtungskosten von Neubau und der Mangel an erhältlichem Bauland in europäischen Metropolen (Tockner, 2012). Das Gut Wohnen ist also von Natur aus mit gewissen Problematiken behaftet und die Erhöhung von Eigentum durch Kredite ist ebenfalls mit Problemen verbunden, wie man an der Finanzkrise 2007 gesehen hat.

Institutionelle Investoren

„Institutional ownership threatens to accelerate the trends unleashed by the financialization of housing: deeper financial markets have not substantively increased either aggregate home ownership or housing supply, but instead have inflated house prices and pulled down rental yields.” (Gabor & Kohl, 2022)

Institutionelle Investoren, also Immobilienunternehmen, Private-Equity-Unternehmen und Pensionsfonds, spielen eine immer größer werdende Rolle am europäischen Wohnungsmarkt (Byrne, 2020). Das Gut Wohnen zieht riesige Mengen an institutionellem Geld an, da es entweder stabile und sichere Renditen verspricht oder für spekulative Zwecke genutzt werden kann („buy low, sell high“). Zusätzlich fokussierten sich die Regulierungsmaßnahmen nach 2008 hauptsächlich auf den Banksektor und nicht auf institutionelle Investoren. Dadurch konnten sich Investmentfirmenwie Blackstonestrategisch am Markt platzieren. Außerdem wurde die Suche nach neuen Renditen, außerhalb von traditionellen Assets, durch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken gefördert. (Gabor & Kohl, 2022) Gabor und Kohl bemerken, dass die Nachfrage nach „Housing-Assets“ weiter anwächst und die momentane Nachfrage noch nicht gedeckt ist. (Gabor & Kohl, 2022)

Immobilienpreise werden durch die Spekulation institutioneller Investoren maßgeblich nach oben gedrückt. (Younglai, 2021) Die Eigentumsrate von Eigenheimen ist rückläufig, während die Anzahl der Mieter*innen ansteigt. Die Aussicht auf ein Eigenheim ist für junge Europäer*innen immer unwahrscheinlicher. Sie werden zur „Generation Rent“ (Byrne, 2020). Das zu geringe Angebot an Wohnraum ist nicht allein verantwortlich für die steigenden Preisen wie Doucet am Beispiels Ontario, Kanada zeigte. Dort stiegen die Preise von Wohnungen obwohl es genug Angebot gab. Grund dafür ist, dass jeder vierte, der eine Wohnung in Ontario kauft, dies ausdrücklich aus spekulativen Gründen tut (Doucet, 2021).

Auch abgesehen von steigenden Immobilienpreisen, welche durch institutionelles Geld hochgedrückt werden, kann institutioneller Besitz von Wohnungen problematisch sein. Es mehren sich Vorwürfe, dass durch die Profitorientierung institutioneller Investoren, Mieter*innen nicht mehr wie Menschen, sondern lediglich als Dividende zahlende Objekte behandelt werden. So wird die Miete so weit wie möglich erhöht, während jegliche Instandhaltungskosten oder Sicherheitskosten reduziert werden. Es ist viel wahrscheinlicher, dass institutionelle Vermieter*innen ihre Mieter*innen vertreiben oder zumindest damit drohen als nicht institutionelle Vermieter*innen. (E. Raymond et al., 2018). Vermieter*innen die vielleicht ein oder zwei Wohnungen vermieten, haben einen viel persönlicheren Kontakt, als Unternehmen deren Geschäftsmodell daraus besteht aus hunderten bis tausenden Mieter*innen möglichst viel Profit zu quetschen.

Der Begriff „Renovictions“, also eine Kombination aus renovations und evictions beschreibt die Tatsache, dass Personen mit niedrigerem Einkommen erst vertrieben, werden um nach Renovierungen durch besser verdienende Mieter*innen ersetzt zu werden (Doucet, 2021). Die Zahl der Räumungen kann empirisch unter anderem durch die Ankunft von Investoren in bestimmten Nachbarschaften erklärt werden und zeigt, dass schlechter gestellte soziökonomische Gruppen vermehrt davon betroffen sind. (E. L. Raymond et al., 2021)

Deregulierung und Regulierung

Doch wie kann dieser problematischen Entwicklung entgegengewirkt werden? Eins ist klar, nämlich dass die bisherigen Maßnahmen der EU-Kommission unzureichend sind und den falschen Ansatz haben. Die Bemühungen der EU die Kapitalmarktunion zu stärken, erleichtert beispielsweise das Geschäft institutioneller Investoren. So halfen einige Maßnahmen der EU in den letzten 10 Jahren die Rolle der Investoren zu stärken (Gabor & Kohl, 2022).

Auch nationale Regierungen sind dabei nicht unschuldig. Um den Immobilenmarkt nach der Finanzkrise am Leben zu halten, wurden die finanziellen Mittel großer Investoren benötigt. Nationale Regierungen sind aktiv auf Investoren zugegangen, damit diese den Immobilienmarkt vor einem totalen Crash bewahren können. (source!) Dadurch haben institutionelle Investoren mittlerweile eine essenzielle marktsichernde Rolle am Immobilienmarkt.  (Gabor & Kohl, 2022)

Doch es gibt Alternativen! Diese marktsichernde Rolle könnte genauso gut von einem europäischen Immobilienfund übernommen werden, welcher für stabile Preise sorgt. Hierdurch kann außerdem auch der Bestand an sozialem Wohnbau erhöht werden und dem Spekulieren mit Immobilien entgegengetreten werden. Des Weiteren sollte die EU institutionelle Investoren dazu verpflichten den Wert ihrer Portfolios transparent zu machen. (Gabor & Kohl, 2022)

Wohnen ist ein Menschenrecht. Es wird Zeit aus der Vergangenheit zu lernen und zu erkennen, dass nur durch ein Einschreiten des Staates der Wohnungsmarkt funktionieren kann und es nicht die breite Bevölkerung ist, die bei der Spekulation mit Wohnen profitiert. Es braucht zahlreiche Maßnahmen und Änderungen: Der Staat muss das richtige Angebot schaffen, da dies der private Markt nicht ausreichend erledigt. Hier sind nicht die Bedürfnisse von beispielsweisen jungen, armen Familien ausschlaggebend, sondern lediglich das, was Investoren attraktiv finden. Neben der Schaffung von Angebot braucht es auch Maßnahmen zu dem Schutz von Mieter*innen. Besonders Personen deren Vermieter Großinvestoren sind, sind gefährdet. Neben einer Mietpreisbremse muss auch entschieden werden, ob es überhaupt große institutionelle Investoren in diesem Bereich geben sollte. Wir müssen jetzt handeln, denn das Problem wird weiter anwachsen und die Asymmetrie des Wohnungsmarkts wird sich weiter verstärken.

Note: The left-hand panel shows the absolute annual number of deals on large portfolios of residential real estate between institutional investors in the respective cities. The right-hand panel refers to the total size of these deals (in million dollar) per city and year. The data are sourced and computed from the private data provider Preqin and are lower-boundary estimates as Preqin has a reasonable, but incomplete coverage. See for further explanations: Gabor, Daniela; Kohl, Sebastian 2022: ‚My Home is an Asset Class: The Financialization of Housing in Europe.‘ Report for the Greens/EFA group in the European Parliament

Tobias Gerstmayr war Teilnehmer des 15. Jahrgangs der Wirtschaftspolitischen Akademie

Quellen

Byrne, M. (2020). Generation rent and the financialization of housing: A comparative exploration of the growth of the private rental sector in Ireland, the UK and Spain. Housing Studies, 35(4), 743–765. https://doi.org/10.1080/02673037.2019.1632813

Braneck, D (2022). Berliner wollten radikale Lösung gegen steigende Mieten: 1 Jahr später nichts als Warten. Euronews.
https://de.euronews.com/my-europe/2022/10/06/loesung-gegen-steigende-mieten-berlin

Doucet, B (2021). Housing is both a human right and a profitable asset, and that’s the problem. TheConsversation. https://theconversation.com/housing-is-both-a-human-right-and-a-profitable-asset-and-thats-the-problem-172846

Gabor, D., & Kohl, S. (2022). The financialization of housing in europe: „My home is an asset class“.

Raymond, E., Duckworth, R., Miller, B., Lucas, M., & Pokharel, S. (2018). Corporate Landlords, Institutional Investors, and Displacement: Eviction Rates in Single-Family Rentals. 04.

Raymond, E. L., Miller, B., McKinney, M., & Braun, J. (2021). Gentrifying Atlanta: Investor Purchases of Rental Housing, Evictions, and the Displacement of Black Residents. Housing Policy Debate, 31(3–5), 818–834. https://doi.org/10.1080/10511482.2021.1887318

Tockner, L. (2012). Wohnpolitische Strategien: Liberalisierung oder politische Intervention? AK. Wirtschaft und Gesellschaft. 38. Jahrgang. https://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/pdf/AC08890876_2012_001/wug_2012_38_1_0057.pdf

Younglai, R (2021). Average home costs are up 30% since before the pandemic, a spike CMHC links to speculative investors. The Globe and Mail. https://www.theglobeandmail.com/business/article-cmhc-worried-about-speculative-investment-in-housing/


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